Meinung

Lützerath: Wie weit darf Protest gehen?

Auf dem Bild sieht man Klimaaktivisten mit einem Plakat auf dem steht "Planet over Profit"
Klimaaktivisten rufen zum Schutz des Planeten auf.
Nima Jarmo Braune, funky-Jugendreporter

Es gibt eine Menge friedliche Proteste, auf der anderen Seite verlaufen einige Protestaktionen auch komplett gegenteilig. Wenn man von gewalttätigen Protesten spricht, werden die meisten an den G20-Gipfel in Hamburg oder auch an Ausschreitungen zum 1. Mai in Berlin denken.

Wer sich jedoch im Moment politisch informiert, wird bereits von dem kleinen Dorf in Nord-Rhein-Westfalen gehört haben: Lützerath. 1970 hatte das kleine Dorf im Herzen NRWs noch stolze 105 Einwohnerinnen und Einwohner. Im Laufe der Jahre sank die Zahl stetig, 2010 waren es nur noch um die 50. Im Jahr 2013 fand das RWE (Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerks) enorme Mengen an Braunkohle im Gebiet um Lützerath. Mit diesem Fund begannen Umsiedlungen, bei denen die Bewohneneden umfängliche Entschädigungen erhielten oder finanzielle Unterstützungen für neue Wohnungen. Im Sommer 2021 bewohnten offiziell nur noch drei Einwohnerinnen und Einwohner das Dorf, die sich der Umsiedlung widersetzten.

Der Plan: 271 Millionen Tonnen Braunkohle sollen dort abgebaut werden. Klimaaktivist:innen argumentieren, dass das 1,5 Grad Ziel bis 2030 damit verfehlt werde. RWE hingegen stütz sich auf Studien, wie die von NRW.Energy4Climate, die behaupten, die deutsche Wirtschaft sei auf die Kohle angewiesen. Das ist auch nicht grundlegend falsch, denn Deutschland ist eine große Wirtschaftsnation gleich hinter den USA, China und Japan. Deutsche Konzerne wie Bayer, VW oder Mercedes benötigen Energie, um die Produktion am Laufen zu halten. Durch die fehlenden Gaslieferungen aus Russland wird eine reibungslose Weiterproduktion ebenfalls erschwert.

Aber was bringt Reichtum, wenn ganze Teile Deutschlands bereits in 100 Jahren unter Wasser stehen könnten? Expert:innen sagen, dass das Schmelzen der Pole schon jetzt nicht mehr aufgehalten werden kann. Beeinflusst werden kann jedoch wie schnell die Gletscher schmelzen. Und mit dem Abbau von fast 300 Millionen Tonnen Braunkohle verlangsamt man das Gletscherschmelzen sicherlich nicht.

Und hier kommt der Protest ins Spiel: Klimaschützer:innen aus ganz Deutschland versammeln sich in Lützerath gegen eine mit Schlagstöcken und mit Wasserwerfern ausgerüstete Polizei. Lützerath ist zum Zeichen des Klimaschutzes geworden, bekannte Aktivistinnen wie Greta Thunberg oder Luisa Neubauer mussten sich von lächelnden Polizisten wegtragen lassen. Das die Protestaktionen gewaltsam enden würden war vorherzusehen, denn Lützerath ist rechtlich gesehen Eigentum des RWE. Somit ist es illegales Eindringens seitens der Klimaschutzbewegung.

Politisch betrachtet, entwickelt sich die Entscheidung Lützerath abzubaggern zu einem Eigentor für klimafreundliche Parteien wie die Grünen. Diese hatten die Förderung der Kohl unter Lützerath genehmigt, im Gegenzug den Kohleausstieg für NRW von 2038 auf 2030 vorgezogen. Keiner erwartet, dass sie sich neben die Demonstrierenden stellen, doch die Klimabewegung ist enttäuscht und hätte sich Unterstützung gewünscht.

funky-instagram-banner

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.