Interview

Singer-Songwriterin Winona Oak im Interview: „Wir brauchen mehr Frauen in der Musikbranche“

Musik spielte schon immer eine große Rolle im Leben von Winona Oak, wie sich die Schwedin Johanna Ekmark auf der Bühne nennt. Nach ihrem großen Durchbruch im Jahr 2018 erschien letztes Jahr mit „He Don’t Love Me“ ihre Debütsingle. Nun meldet sich die 26-jährige Singer-Songwriterin mit „She“ erneut zu Wort. Mit ihrer kraftvollen und gleichzeitig zerbrechlichen Stimme gewinnt sie in Windeseile die Zuhörer für sich und glänzt dabei nicht nur durch ihre Wortgewandtheit, sondern auch durch die überraschend ehrlichen Texte. Im Interview spricht die Künstlerin über ihre Liebe zur Natur und erklärt, warum die Musikindustrie noch immer zu männerdominiert ist. 
Laura Wilks, funky-Jugendreporterin

Wann begann deine musikalische Reise? 
Meine Großmutter war Sängerin. Sie war unglaublich talentiert und wurde sogar an der Royal Opera angenommen. Leider war ihre Familie sehr arm und durch die fehlenden finanziellen Mittel platzte ihr musikalischer Traum. Als ich ein Kind war, sang und spielte sie mir immer etwas vor. Musik war immer ein wichtiger Bestandteil meines Lebens, sie war Teil meines Zuhauses. Früh lernte ich Geige und Klavier spielen und ich singe, seitdem ich denken und sprechen kann. Später begann ich dann, Geschichten und kleine Bücher zu schreiben. Aus Texten, die als Kindergeschichten begannen, wurden die Songs von heute. 

Schreibst du deine Songs selbst?
Ich schreibe meistens gemeinsam mit anderen. Kooperationen haben so viele Vorteile, da neue Menschen und Talente eine Art Box kreativer Werkzeuge bereitstellen, auf die man kollektiv zugreifen kann. Man inspiriert sich gegenseitig. Die Chance zu haben, neue Leute zu treffen, über das Leben zu philosophieren, sich gegenseitig neue Perspektiven aufzuzeigen und etwas gemeinsam zu kreieren – das ist wertvoll. So habe ich Menschen kennengelernt, die mir dabei halfen, mich weiterzuentwickeln und das Bestmögliche aus mir herauszuholen.

Deine ersten Lieder hast du während einer Schreibveranstaltung in Nicaragua verfasst. Was hast du aus der Zeit mitgenommen?
Das Schreibcamp hatten Bekannte von mir arrangiert und es war einfach toll, daran teilnehmen zu dürfen. Zweimal reiste ich dafür nach Nicaragua und traf eine Menge Leute, mit denen ich bis heute zusammenarbeite. Es war eine unbeschreiblich einprägsame Erfahrung, im Dschungel zu sein und kreativ zu werden. Ich sah die Sterne so klar wie noch nie zuvor in meinem Leben und hörte im Hintergrund Tiergeräusche. Wir alle realisierten durch diese Erfahrung, wie klitzeklein wir in Anbetracht des Gesamtbildes sind. Einfach magisch, Musik inmitten dieser Wildnis zu machen.

Du bist in Schwedens wunderschöner Natur aufgewachsen. Würdest du sagen, die Natur hat einen hohen Stellenwert in deinem Leben und beeinflusst deine Musik?
Die Natur hat definitiv eine große Bedeutung für mich und meine Musik. Sie ist rein und wunderschön. Die Menschheit sollte Acht geben auf Mutter Natur und so für sie sorgen, wie sie auch uns umsorgt. Wir befinden uns derzeit in einer Klimakrise. Seit meiner Kindheit ziehe ich Kraft aus der Natur und möchte, dass auch meine Kinder und deren Kinder das erleben können. Natur ist so kraftvoll, die Menschen sollten ihr Privileg, auf diesem schönen Planeten leben zu dürfen, wertschätzen. Er gibt uns beinahe bedingungslos alles, was wir zum Überleben brauchen, doch wir missachten und zerstören ihn. Solange wir uns nicht bedroht fühlen, nehmen wir alles als selbstverständlich an und sehen nicht, dass es eine Wechselwirkung des Nehmens und Gebens ist. In der Natur zu sein und diese bewusst zu erleben und wahrzunehmen, ist der beste Weg, um im Einklang mit sich selbst zu bleiben. 

Prägten dich bestimmte musikalische Einflüsse? 
Es waren immer unterschiedliche Musiker und Genres, die mich umgaben. Meine Eltern und ich sind große Leonard-Cohen-Fans. Seine Musik lief gefühlt zu jeder Zeit im Hintergrund des Familienalltags. Nirvana höre ich auch sehr viel und gerne, halt all das gute Zeug. Für mich gibt es also nicht nur eine hauptsächliche Inspirationsquelle, sondern eine Vielzahl an Musikern und Einflüssen, die mich inspiriert. 

Was ist deine Motivation, Musik zu machen? 
Ich denke, es ist das Beste, was ich kann. Wenn ich nicht mit Musik arbeiten würde, würde ich trotzdem noch Musik machen. So funktioniert mein Gehirn ganz einfach: Ständig verfangen sich meine Gedanken in Melodien und Songtexten. Ich spüre ganz stark, dass diese es verdienen, gehört und in die Welt gebracht zu werden. Für mich ist es das Schönste, Kunst zu machen und diese mit meiner Umwelt zu teilen.

Wir sind weit entfernt davon, gleichberechtigt zu sein, und eine Menge Ungerechtigkeit wird in dieser – wie auch jeder anderen Branche – blindlings akzeptiert und ignoriert.

Winona Oak über das Problem der Gleichberechtigung in der Musikbranche.

Ist es immer noch eine Herausforderung, eine Frau im männerdominierten Musikbusiness zu sein?
Ja, leider schon. Wir sind auch im 21. Jahrhundert noch weit davon entfernt, als gleichberechtigt angesehen und behandelt zu werden. Es fehlen so viele Frauen in der Musikindustrie. 2,6 Prozent aller Produzenten sind Frauen, 4,5 Prozent sind Songwriterinnen und 21,7 Prozent sind Künstlerinnen. Also ja, es ist nicht gerecht verteilt. Wir brauchen unbedingt mehr Frauen in der Branche. Denn als Frau wird man auch heutzutage noch zu oft objektiviert und sexualisiert.

Man muss als Frau also immer noch eine „Maske der Stärke“ aufsetzen, um überhaupt ernst genommen zu werden? 
Genau! Es gibt so viele Künstlerinnen, die unter den gesellschaftlich etablierten Rollenbildern leiden und den Druck spüren, Maßstäbe erfüllen zu müssen, wenn es um das Äußere geht, und dieses verzerrte Bild der perfekten Frau darzustellen. Ich würde mir wünschen, dass unsere Diversität anerkannt und gerade unterschiedliche Körpertypen wertgeschätzt werden. Wir sind weit entfernt davon, gleichberechtigt zu sein, und eine Menge Ungerechtigkeit wird in dieser – wie auch jeder anderen Branche – blindlings akzeptiert und ignoriert. 

In „She“ singst du „Dreams are a dangerous thing, money is everything“. Kritisierst du damit die Werte, an denen sich unsere Gesellschaft orientiert
Ja. „She“ beschreibt, wie wir in einer geteilten Gesellschaft leben, in der viele Menschen nach Geld und Macht streben und ein negatives Wertesystem die Mehrheit beherrscht. „She“ ist somit der vorgeprägte Teil in jedem von uns, der alles dafür tun würde, um die Gesellschaftsleiter hinaufzuklettern. Kurz gesagt – das zweite, „böse“ Gesicht oder eben das fehlende Gewissen. Dieser Charakterzug ist skrupellos, hat keine Angst, kein Gewissen und interessiert sich nicht für die Meinung anderer. Irgendwann sind wir alle, wohl oder übel, an dem Punkt, uns entscheiden zu müssen, welchen Weg wir einschlagen möchten: den skrupellosen mit hohen Erfolgschancen oder den Weg der Intuition und der Werte.

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.