Interview

Reisevermittlerin Melanie Tertling: „Die Corona-Krise trifft uns mit voller Härte“

Urlaub am Meer? Geht leider zurzeit nicht. Eine Reiseveranstalterin verrät uns im Interview, welche Auswirkungen Corona auf ihre Branche hat.
Um dem Alltagsstress und der Arbeitswelt zu entkommen, reisen wir sehr gerne in den Urlaub. Das ist jetzt nicht mehr möglich. Wie verändert Corona die Tourismusbranche?
Von Laura Krieger, Klasse 10b, Carl-Friedrich von Weizsäcker Gymnasium in Barmstedt

Einige bleiben im Inland, andere fahren ins Ausland, um neue Kulturen, Orte und Menschen kennenzulernen. Heutzutage werden viele Reisen im Internet in Online-Reisebüros gebucht. Doch die meisten bevorzugen nach wie vor eine persönliche Beratung in einem Reisebüro. In letzter Zeit ist einiges in der Reisebranche vorgefallen, wie die Insolvenz eines Reiseveranstalters oder die Corona-Krise. Unsere Jugendreporterin hat die beiden Inhaberinnen des Reisebüros ,,Reisetreff Horst“, Melanie Tertling und Christine Hammerich getroffen und mit ihnen über die Folgen der letzten Krisen und den daraus resultierenden Einflüssen auf die Tourismusbranche gesprochen.

funky: Es gibt Länder, die sehr unterschiedliche politische Meinungen haben. Haben Sie schon mal solche Erfahrungen gemacht, dass die Kunden aus politischen Gründen nicht in ein solches Land reisen wollen, weil sie mit der Regierung in diesem Land nicht einverstanden sind?

Melanie Tertling: Ja, durchaus: Es gab in der Vergangenheit viele Kunden, welche nicht in die Türkei reisen wollten wegen der politischen Lage und weil sie mit der Regierung nicht einverstanden waren. Ich bin allerdings der Ansicht, dass es sehr viel mehr Länder gibt, wo wir mit der Regierung nicht einverstanden sein sollten und diese Länder werden auch bereist.

Sind es überwiegend ältere oder auch jüngere Menschen, die sich durch politische Vorurteile leiten lassen?

Das kann man an keiner Zielgruppe festmachen. Es sind sowohl jüngere als auch ältere Menschen.

Durch die Insolvenz des Reiseveranstalters Thomas Cook, die ich hautnah miterleben durfte, weil ich bei Ihnen mein Schulpraktikum gemacht habe, haben bestimmt viele Kunden Angst Reisen zu buchen und zu fliegen. Sind die Kunden jetzt mehr auf Bus und Bahn umgestiegen oder werden weiterhin genauso viele Flugreisen gebucht wie vor der Insolvenz?

Es gab tatsächlich einen großen Umsatzeinbruch. Die Zurückhaltung bezog sich aber in erster Linie auf die Pauschalreise und dem Misstrauen gegenüber dem Veranstalter. Im Dezember hatten die Menschen aber bereits das Vertrauen zurückgewonnen und es wurden wieder Reisen mit allen Verkehrsmitteln gebucht.

Natürlich möchte ich auch zum aktuellen Thema ein paar Fragen stellen. Durch die Corona-Krise ist die Reiselust bestimmt sehr gefallen oder buchen Ihre Kunden trotzdem weiterhin Reisen für den Sommer?

Die Corona-Krise trifft die Reisebranche mit voller Härte. Durch die Reisewarnung bis zum 30.4.20 werden alle Reise abgesagt. Alles wofür wir die letzten fünf Monate gearbeitet haben, war umsonst. Der Buchungsstillstand begann bereits Anfang März. Zurzeit bucht niemand eine Reise, weil niemand weiß, wann Reisen wieder möglich sein wird. Wie lange dauern die Reisewarnungen noch an, wann öffnen die Urlaubsländer ihre Grenzen wieder, hat überhaupt noch jemand Geld, um nach der Krise zu verreisen. Wenn die Politik nicht gegensteuert, wird die Reisewirtschaft einen totalen Kollaps erleiden.

Empfehlen Sie den Kunden die Reisen zu buchen oder lieber erst abzuwarten?

Bisher bleiben die Anfragen aus. Ich würde aber zu einer Reise frühestens zu den Herbstferien raten.

Denken Sie, dass die Corona-Krise weitere Fluggesellschaften oder Reiseanbieter in die Insolvenz treibt?

Wie oben schon angedeutet: Wenn die Politik nicht mit einem Hilfsfond nur für die Reisebranche unterstützt, wird es so kommen. Reisebüros bekommen nur Provision, wenn die Kunden wirklich abreisen. Das tut zurzeit niemand. Die Veranstalter und Fluggesellschaften müssen Kundengelder für abgesagte Reisen zurückzahlen. Dadurch fehlen den Unternehmen die liquiden Mittel um wirtschaften zu können. Auch diese Unternehmen haben Fixkosten, die weiterlaufen.

Da jetzt viele Reisen storniert und abgebrochen werden und die Anbieter, Reisebüros und die Hotels viele Verluste erleiden, denken Sie, dass die Tourismusbranche sich davon schnell erholen wird?

Dieses hängt maßgeblich davon ab, wann die Grenzen geöffnet werden. Ich vermute, dass das touristische Halbjahr (Mai – Oktober) verloren sein wird. Die Menschen haben jetzt ihre Urlaube geplant und treten sie an. Auch wenn sie nun nicht mehr verreisen können, die Urlaubstage sind weg. Also können Sie die Reisen in diesem Jahr nicht mehr verschieben. Buchen Sie ihre Reise im nächsten Jahr, ist der Umsatz für dieses Jahr für Veranstalter und Reisebüros trotzdem verloren.

Von Reinickendorf bis Bochum, von Fulda bis Ottensen – überall schreiben Schülerinnen und Schüler Artikel über das, was um sie herum passiert. Jeder und jede aus ihrer eigenen Sichtweise, mit eigener Meinung und eigenem Schwerpunkt. Bei all den Unterschieden eint sie, dass sie mit ihrer Klasse an MEDIACAMPUS teilnehmen, dem medienpädagogischen Projekt der Funke Mediengruppe. Das erlernte Wissen wenden sie dann praktisch an, indem sie erste journalistische Texte schreiben. Auf funky können sie die Früchte ihrer Arbeit präsentieren.