Interview

Moderatorin Mona Ameziane liest sich mit ihrer Community quer durch die Genres

© WDR/Annika Fußwinkel
Leseratte Mona Ameziane liest für ihr Leben gern und teilt das immer und gerne auf ihren Social Media-Plattformen. Zu Quarantänezeiten möchte sie da noch eins draufsetzen: Gemeinsam mit ihrer Community liest sie ein Buch, über das online abgestimmt wurde. Was Bücher und das Lesen im Allgemeinen ihr bedeutet und was sie mit ihrem Projekt #zusammenlesen erreichen möchte, erzählt sie uns im Interview.
Von Tess Kadiri, funky-Jugendreporterin

Deine Aktion basiert auf dem Prinzip „Sharing is caring“, denn gemeinsam mit deiner Community liest du dich durch diese Zeit der gesellschaftlichen Isolation. Wie bist du auf die Idee gekommen?
Ich habe schon länger darüber nachgedacht, wie man es umsetzen kann, dass man mal gemeinsam liest. Lesen ist und sollte zwar eine zurückgezogene Angelegenheit sein, bei der man mit dem Buch alleine ist. Allerdings motiviert einen dieses Gefühl der Gemeinschaft und das Wissen, dass so viele Menschen in Deutschland sich gerade Gedanken um die gleichen Textzeilen machen, vermehrt dazu, die Zeit zu Hause zum Lesen zu nutzen. Normalerweise funktioniert mein Kanal eher so, dass ich Buchtipps veröffentliche. Deswegen war diese Aktion auch für mich neu. Am Anfang habe ich also ein erklärendes IGTV-Video gemacht und auf Rückmeldungen gewartet, um zu schauen, ob die Idee gut ankommt. Dann habe ich zwei Bücher ausgesucht, die ich beide gerne lesen würde und habe per Voting bestimmen lassen. Geeinigt haben wir uns auf das Sachbuch „Sprache und sein“ von Kübra Gümüşay. Durch eine weitere Abstimmung habe ich dann erkennen können, wie viele Menschen deutschlandweit wirklich mitmachen: Zwischen 450 und 500 Personen lesen gerade mit.

Warum möchtest du mit deinen Instagram-Followern gemeinsam lesen?
Ich glaube, dass das mal was Neues ist. Momentan probieren sich alle möglichen Menschen an neuen Live-Formaten aus, um zu kompensieren, dass man sich nicht treffen oder gemeinsam auf Veranstaltungen gehen kann. In dem Bereich, in dem ich arbeite, bietet es das die Möglichkeit, ein verbindendes Element zu schaffen und vielleicht auch Menschen dazu zu motivieren, überhaupt zu lesen. Oft ist es so, dass man sich ein Buch kauft und das dann wochenlang einfach so rumliegt. Durch dieses Projekt hoffe ich, dass manche es als einen Ansporn begreifen. Ich motiviere andere Leute, ich motiviere mich selbst. Außerdem finde ich den Gedanken ganz charmant, mir selber vorzustellen, dass ich da gemeinsam mit vielen anderen lese.

Hat dich die Quarantäne bis jetzt dazu motiviert noch mehr zu lesen als davor?
Ich habe ja auch vorher sehr viel gelesen habe, weil ich die Büchersendung bei 1Live moderiere. Jede Woche muss ich daher sowieso mindestens ein Buch lesen. Die aktuelle Situation motiviert aber auf jeden Fall, auch ein bisschen rechts und links zu lesen. Wir tendieren häufig dazu, immer das gleiche zu lesen. Ich habe zum Beispiel viele Freundinnen, die ausschließlich Sachbücher lesen. Und die bitten mich jetzt um Vorschlägen für Romane, um auch mal etwas Fiktives auszuprobieren. Genauso motiviert mich die Zeit gerade, die Genres etwas zu wechseln, etwas quer durch die Reihen zu lesen und nicht nur speziell für meine Arbeit.

Ein richtig gutes Buch muss mich dazu bringen, dass ich bereit bin, andere Dinge liegen zu lassen, um zu dem Buch zurückkehren.

Mona Ameziane über gute Bücher

In deinem Leben hast du viele Bücher gelesen. Was macht ein richtig gutes Buch für dich aus?
Ein richtig gutes Buch muss mich dazu bringen, dass ich, auch wenn ich es gerade nicht lese, im Alltag daran denke und dazu bereit bin, andere Dinge liegen zu, um zu dem Buch zurückkehren. Gerade weil ich für die Arbeit lese, merke ich schnell, wenn mir ein Buch gefällt oder nicht. Ich setze mir immer so Zeitslots, in denen ich mich hinsetze und einfach nur lese. Wenn ich mir also ein Buch zwischen vier und sechs Uhr vornehme und immer wieder auf die Uhr gucke, merke ich, dass das Buch vielleicht nicht so gut ist. Wenn ich dagegen erst um 20 Uhr merke, wie schnell die Zeit vergangen ist, dann muss es ein sehr gutes Buch gewesen sein. Das kann aufgrund der Spannung sein, aber auch an einer tollen Figurenkonstellation oder an gut vermittelten Fakten liegen.

Unter deinem letzten Instagrampost schreibst du, dass das Gute an Büchern ist, dass sie in der Regel nicht weglaufen, wenn sie einmal da waren: Was haben Bücher, das Netflix und das herkömmliche Fernsehen vielleicht nicht haben?
Durch Bücher eröffnet sich einem eine komplett neue Welt, die einem nicht wie in einem Film oder einer Serie vorgesetzt wird. Man bekommt durch die Worte nur eine Grundbasis geliefert, auf der man sich den Rest selbst noch zusammenbauen muss. Ich finde es spannend, was der Kopf aus bestimmten Entscheidungen macht und welche Bilder dabei entstehen. Man kann um die Story herum viel mehr selbst entscheiden. Man ist der Regisseur der Geschichte und kann sie in der eigenen Geschwindigkeit miterleben. Ein schlechtes Gewissen habe ich nach einem Buch auch nie. Ganz anders verhält es sich, wenn ich mir drei Staffeln auf Netflix reinziehe. Ich denke mir nach Stunden mit einem Buch, ganz egal welches, dass ich bestimmt irgendetwas für mich mitnehmen konnte.

Was ist die tollste Erinnerung, die du mit dem Lesen verbindest?
Das erste Buch habe ich irgendwann in der ersten Klasse gelesen und ich kann mich noch erinnern, dass ich das Buch tagelang nicht aus der Hand gelegt habe. Ich habe wirklich jedem davon erzählt, dass ich mein erstes Buch gelesen habe und war total glücklich. Das war einzigartig für mich, woran sich noch viele weitere Erinnerungen während langen Autofahrten und schöne Momente im Urlaub reihen.

Deine Liebe zum Lesen fing also im Grundschulalter an. Hat dich das Lesen in deiner Jugend geprägt?
Ihren Ursprung hatte meine Liebe zum Lesen glaube ich schon darin, dass meine Eltern mir viel vorgelesen haben. Ich habe dadurch schon als sehr junges Mädchen Gefallen an der Sprache gefunden und angefangen, an Schreibwettbewerben teilzunehmen. Alles Naturwissenschaftliche war nichts für mich, ich wollte lieber mit Wörtern meine Kreativität ausleben. Irgendwann im Teenageralter hat das etwas abgenommen und andere Themen haben an Wichtigkeit gewonnen, wie das in dem Alter nun mal so ist. Nicht allzu lang danach bin ich aber zu meiner Bücherliebe zurückgekehrt und habe das Lesen mit meiner Büchersendung bei 1Live schließlich sogar zu meinem Beruf gemacht.

Die neue Generation ist nur am Handy und liest zu wenig, heißt es oft. Denkst du, dass Bücher und die Kunst des Lesens mit der Zeit aussterben?
Natürlich bekommt Lesen durch soziale Netzwerke und diverse Streaminganbieter vermehrt Konkurrenz. Ich höre immer wieder, wie Leute sagen, dass sie es nicht schaffen zu lesen, es aber wollen. Das ist schon erschreckend, dass uns Soziale Medien so sehr einnehmen können. Allerdings beweisen mir die Follower meines Kanals, dass das grundsätzliche Interesse am Lesen besteht und manche Menschen soziale Medien sogar nutzen, um ihre Liebe zu Büchern zu festigen. Deswegen denke und hoffe ich, dass das Lesen sich weiterhin gegen die Konkurrenz durchsetzen wird.

Meine Mutter sagt immer, dass ich spreche bevor ich nachdenke. Wahrscheinlich schreibe ich deswegen auch so gerne. Manchmal hat man so viele Gedanken im Kopf, dass die richtigen Worte länger brauchen, als der Mund sie ausspricht. Genau diese richtigen Worte versuche ich seit einiger Zeit bei funky zu Papier zu bringen. Zeitungen waren zwar nie mein Ding, aber als ich über die Jugendredaktion gestolpert bin, habe ich eine Zeitung gefunden, die ich auch gerne lese. Deswegen schreibe ich für funky: Damit ich morgens etwas anderes zum Lesen habe, als die Rückseite der Cornflakesschachtel.