Interview

Singer-Songwriterin Mine: „Ich bin nicht der beste Mensch“

Mine ist bekannt für ihre Texte mit Tiefgang.
Dass Jasmin Stocker, alias Mine, mehr kann als nur eingängige Pop-Musik ist spätestens seit dem Album „Alles Liebe nachträglich“ klar. Die deutsche Singer-Songwriterin ist bekannt für ihre Texte, die allesamt kleine Bekenntnisse sind und unter die Haut gehen. Nebenher arbeit die 34-Jährige übrigens als selbstständige Gesangsdozentin, gibt Einzelstunden sowie Bandcoachings und ist als Produzentin tätig. Im April 2019 veröffentlichte sie ihr Album „Klebstoff“, welches ihr nun die Nominierung für den Deutschen Musikautorenpreises 2020 einbrachte. Diesen Mittwoch findet die Preisverleihung in Berlin statt.
Von Rosina Link, funky-Jugendreporterin

Dein erster Satz, „Ich bin ein Egoist“, in dem 2019 veröffentlichten Albumhauptsong „Klebstoff“ überrascht. Du gestehst dir ein, nicht perfekt zu sein. Wie kam es zu dieser Ehrlichkeit?

Meine Mutter ist gestorben. Ich habe sie gepflegt und war bis zum Schluss bei ihr. Trotzdem fühlte es sich so an, als sei ich zu wenig da gewesen. Man geht am Ende mit dem Gefühl, dass man mehr hätte machen können. Ich konnte mir Luft machen, indem ich es aufschrieb. Ich musste mir eingestehen: Nein, ich bin nicht der beste Mensch, der ich sein könnte. Ich finde, man sollte öfter sagen, dass es auch in Ordnung ist, nicht perfekt zu sein. Egoistisch zu sein, ist das Letzte, was ich möchte. Und doch ist niemand nicht egoistisch.

Ich habe mich anfangs unwohl gefühlt zu wissen, Fremde könnten von meinen privaten Gedanken erfahren.

Mine über ihre Texte

Persönliche Texte zu schreiben, diese zu vertonen und damit an die Öffentlichkeit zu gehen, braucht großen Mut. Warst du schon immer so mutig?

Mein siebenjähriges Ich hat angefangen, erste Texte zu schreiben. Mal schrieb ich mehr, mal wieder gar nicht oder weniger. Ich habe mich anfangs unwohl gefühlt zu wissen, Fremde könnten von meinen privaten Gedanken erfahren. Andererseits habe ich auch geglaubt, meine Texte seien zu schlecht. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich mich mit der Kritik nicht auseinandersetzen könnte. Als ich selbst von mir und meiner Musik überzeugt war, kam der Mut von selbst.

Besonders die Expertenjury des Deutschen Musikautorenpreises 2020 konntest du in der Kategorie „Text Chanson/Lied“ überzeugen. Wie fühlt es sich an, für den derzeit wichtigsten deutschen Preis für Musikerinnen und Musiker nominiert zu sein?

Ich fühle mich sehr geschmeichelt, glaube aber ehrlich gesagt auch, dass ich nicht viel besser bin als andere. Im Moment geht meine Musik zusammen mit dem, was anderen und vor allem der Jurykonstellation gut gefällt. Sollte ich diesen Preis bekommen, werde ich mich natürlich unheimlich freuen, weil ich nicht dachte, dass ich nach acht Jahren Bühnenkarriere mal an den Punkt komme, dass sich jemand groß für meine Musik interessiert. Ich habe noch nie mit jemandem zusammen geschrieben. Und dass meine Texte ausreichen, finde ich abgefahren. Es wird dennoch nichts an meinem Gefühl mir selbst gegenüber ändern. Meine Texte werden nicht besser, weil ich einen Preis gewonnen habe. Meine Texte werden nicht schlechter, weil ich keinen Preis gewonnen habe. Unsere Generation hat schlaflose Nächte, weil wir die Erde jeden Tag unter uns leiden sehen müssen.

Halten politische Themen auch die Musikbranche wach?

Der Klimawandel und, wie ich finde, Feminismus sind Themen, die aktuell polarisieren. Vor zwei Jahren war es noch nicht so gesellschaftlich akzeptiert, dass man hätte offen über Feminismus sprechen können. Ich glaube, dass wir beim Klimathema noch nicht so weit sind, hoffe aber, dass es sich bessert. Das Klima wird nicht stillstehen. Bis jetzt sehe ich noch keine Änderungen, die wirklich die Welt retten könnten. Ich halte es für wichtig, dass auch wir Musiker unsere Stimmen nutzen, um uns dazu politisch zu äußern. Es freut mich, dass sich Musiker wie Yassin oder Dendemann immer mehr politisch positionieren. Wir alle schreiben über Themen, die uns bewegen. Und mal ehrlich: Wen interessiert es denn nicht, was mit unserer Erde passieren wird?

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.