Interview

„Nur Trösten reicht nicht“

Till Bartelt engagiert sich gegen Mobbing
Um erfolgreich gegen Mobbing vorzugehen, kommt es auf jeden Einzelnen an. Schulen, Lehrer, Eltern und Schüler müssen gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Till Bartelt von der Werner-Bonhoff-Stiftung erklärt uns im Interview, wie das funktioniert.
Von Antonia Bernitt

Mobbing gibt es an so gut wie jeder Schule und so gut wie jeder wird schon einmal etwas davon mitbekommen haben. Sei es, dass man beobachtet hat, wie ein Mitschüler fertiggemacht wird oder dass man selbst viel geärgert wird. Sobald man aber weiß, dass jemand gemobbt wird, kann man etwas dagegen machen. Wie man Mobbing erkennt, welche Maßnahmen man ergreifen kann, um Mobbing zu beenden, und welche Rolle die Schule dabei spielt, erklärt Till Bartelt, Vorstand der Werner-Bonhoff-Stiftung, im Interview.

Wenn Sie jemandem, der die Werner-Bonhoff-Stiftung nicht kennt, diese erklären müssten, was würden Sie sagen?

Wir sind durch das Vermögen von Werner Bonhoff, der im Jahr 2000 verstorben ist, in der Lage und haben den Auftrag, uns insbesondere in zwei Bereichen zu engagieren. Der eine Bereich ist, dass wir wollen, dass Bürokratismus, also die schädliche Form von Bürokratie, möglichst überall in Deutschland überwunden wird.

Der zweite Bereich ist das Projekt „Nach der Tat“, da geht es um die Verbesserung der Reaktion von Schulen auf Mobbing und Gewalt an Schulen. Es geht uns um die Rechte von Menschen und insbesondere darum, dass jeder das Recht hat, nicht von anderen angegriffen zu werden. Wir kämpfen nicht dafür, dass das geregelt wird, denn das ist schon weitgehend der Fall. Wir setzen uns für eine bessere Umsetzung durch die Schule ein, also wie die Schule es schafft, dass diese Angriffe nicht erfolgen oder wenn sie erfolgen, sie möglichst schnell und wirksam zu unterbinden.

Meinen Sie denn, dass es eine klar erkennbare Grenze zwischen Ärgern und Mobbing gibt?

Ja, auf jeden Fall, wenn auch nicht auf den ersten Blick. Wenn sich zwei Schüler in einer Klasse darüber streiten, wer wo sitzen darf, ist das ein normaler Konflikt. Da steckt nicht die Absicht dahinter, jemanden zum Weinen zu bringen und fertigzumachen. Wenn zum Beispiel ein Schüler mit Unterstützung anderer über einen längeren Zeitraum den anderen mit der Absicht, ihm wehzutun, fertigmacht, das ist Mobbing.

Die Schule ist nicht nur für alles zuständig, was auf dem Schulgelände passiert, sondern auch für alles, was in die Schule hineinwirkt.

Mobbing findet verstärkt auch im Internet statt. Till Bartelt findet, dass Schulen hier aufmerksamer sein müssen.

Als Beispiel aus meinem eigenen Schulalltag: In meiner Stufe gibt es Mädchen, die ich flüchtig kenne, die auf Instagram ein Profil erstellt haben, auf dem sie über eine Person herziehen. Die Seite ist allerdings so aufgebaut, dass es aussieht wie ein Fanprofil. Als Außenstehender würde man also nicht auf die Idee kommen, dass da jemand gemobbt wird, im Gegenteil. Jetzt frage ich mich, ob ich da etwas machen kann.

Um nachzuweisen, dass da die Rechte einer anderen Person verletzt werden, bräuchte die Schule deine Hilfe, weil du von diesem Profil weißt und den Hintergrund kennst. Die Situation zu klären und die Person zu schützen, ist die Sache der Schule. Denn die Schule ist eben nicht nur für alles zuständig, was auf dem Schulgelände passiert, sondern auch für alles, was in die Schule hineinwirkt. Das ist manchmal eben nicht so leicht zu erkennen, so wie in diesem Fall.

Als Schülerin wäre es also deine Aufgabe, der Schule zu erklären, was da passiert, also auch aufzuklären, dass es zwar nach außen hin freundlich wirkt, aber dass das eben nur Tarnung ist. Die Schule hat dann die Aufgabe, mit den Schülerinnen zu reden und ihnen zu erklären, dass das Profil gelöscht werden muss. Da darf auch Zeitdruck ausgeübt werden, also zum Beispiel, dass das Profil innerhalb der nächsten Woche verschwinden muss, sonst müsste ein Schulverweis oder andere Maßnahmen erfolgen.

Wenn du als Beobachterin aber die Befürchtung hast, dass dir selber Nachteile entstehen, weil du auf den Fall hinweist, kommen wir ins Spiel: Du kannst über unsere Stiftung und unseren Hilfebrief anonym deine Schule auffordern, dass dieser Angriff beendet wird. Damit hilfst du übrigens nicht nur der Person, die darunter leidet, sondern auch der Schule und hilfst auch dabei, weitere Mobbingvorfälle in Zukunft zu verhindern.

Also muss die Schule eingreifen?

Was an vielen Schulen in Deutschland immer noch falsch gemacht wird, ist, dass sie annehmen, wenn jemand gemobbt wird, dann hat der ein Mobbingproblem und den Schwerpunkt darauf legen, ihn zu trösten. Tatsächlich ist es aber so, dass die Schule ein Mobbingproblem hat, weil da etwas passiert, was eigentlich an der Schule nicht passieren dürfte. Die Gemobbten sind nur die Leidtragenden dieser Situation, das Problem hat eigentlich die Schule. Die Schule ist auch die Einzige, die das Problem lösen kann, die Angegriffenen können das in den meisten Fällen nicht. Mit dem Trösten des Angegriffenen und „guten Ratschlägen“ für ihn wird das Problem der Schule nicht gelöst.

Die Aufgabe, Mobbing zu vermeiden, liegt ein Stück weit bei jedem.

Auch Eltern und Schüler können dabei helfen, indem sie zum Beispiel die Schule über Mobbingfälle informieren.

Kann man Mobbing eigentlich vorbeugen und wenn ja, ist das dann Aufgabe der Schüler oder müssen da Lehrer und Eltern tätig werden?

Es gibt keine sichere Methode, die garantiert Mobbing vorbeugt. Aber es gibt eine ganze Reihe an Bedingungen, von denen man weiß, dass sie für die Entwicklung eines Miteinanders an der Schule günstig sind, zum Beispiel durch Erziehung zu Hause, vor allem zu respektvollem Miteinander, und diverse Projekte und Anti-Mobbing-Kampagnen an der Schule. Es ist die Aufgabe der Schule, den Schülern klarzumachen, dass Mobbing an der Schule nicht geduldet wird. Die Schule muss zur Not auch von Eltern und Schülern oder unserer Stiftung darauf hingewiesen werden, dass es einen Fall von Mobbing gibt und sie das unterbinden muss, da die Lehrer nicht immer alles mitbekommen und meist auch die Hinweise nirgendwo zusammenlaufen. Die Aufgabe, Mobbing zu vermeiden, liegt also ein Stück weit bei jedem.

Warum haben Sie sich dazu entschieden, in der Werner-Bonhoff-Stiftung mitzuwirken? Gab es da einen Anstoß, durch den Sie jetzt aktiv gegen Mobbing wirken?

Werner Bonhoff war ein Mandant von mir, wir verstanden uns sehr gut, daher bin ich seit Errichtung der Stiftung 2001 dabei. 2010 haben wir unser Projekt „Nach der Tat – Mobbing und Gewalt an Schulen“ begonnen. Nah am Thema war ich persönlich auch durch meine Töchter. Da hat es mich nie kaltgelassen, wenn etwas in Richtung Mobbing in der Schule passiert ist und die Schulen da viel zu wenig gemacht haben. Dann wollte man selbst etwas dagegen machen und hatte damit aber meist wenig Erfolg. Wenn man als Beobachter feststellen muss, dass die Schule nach einem Jahr Mobbing immer noch nichts Wirksames dagegen gemacht hat, will und muss man irgendwann selbst aktiv werden.

Haben Sie sich bei irgendeinem Fall mal erklären können, warum die Personen, die mobben, das machen? Also wo da der Ansporn ist?

Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Der Klassiker ist, weil es ihren Rang in der Klasse erhöht, ihnen Macht gibt. Jeder sucht sich eine Rolle, in der er sich wohlfühlt, und wenn die Beliebten oder Mächtigen aus der Schule jemanden mobben, ziehen da viele mit, einfach um dazuzugehören und nicht Gefahr zu laufen, selbst gemobbt zu werden.

Dann gibt es eben manche, die, weil sie selbst unglücklich sind oder keine Übersetzung für ihre eigenen Antriebe finden, ihre Zufriedenheit aus dem Leid anderer gewinnen. Zeichen des Angegriffenen, wie zum Beispiel Weinen, werden nicht als Stoppsignal wahrgenommen, sondern als Lustgewinn. Man kann keine Erklärungsmuster für alle Mobber abgeben, aber das sind häufige Fälle.

Nur weil sich die Eltern einer Person gerade scheiden lassen, rechtfertigt das noch lange nicht, dass die Person dann aus Wut über die eigene Situation anfängt, andere Schüler zu mobben.

Till Bartelt hat Verständnis dafür, dass viele Schüler die mobben, es oft selbst nicht einfach haben. Eine Entschuldigung für ihr Verhalten ist das aber nicht.

Erklärungsmuster dürfen aber grundsätzlich keine Entschuldigungsmuster werden. Nur weil sich die Eltern einer Person gerade scheiden lassen, was ja für Kinder und Jugendliche häufig sehr schwer ist, rechtfertigt das noch lange nicht, dass die Person dann aus Wut über ihre eigene momentane Situation anfängt, andere Schüler zu mobben. Man kann zwar verstehen, wo diese Wut herkommt, aber rechtfertigen oder entschuldigen tut das noch lange nichts. Bei aller Ursachenforschung und allen Präventionsbemühungen sollte immer eines nicht vergessen werden: dass nie ausgeschlossen werden kann, dass Mobbing vorkommt, weshalb jede Schule vorbereitet sein muss, solche Mobbingangriffe schnell und wirksam zu beenden. Denn niemand weiß, wo das Mobbing endet.

Werner Bonhoff war ein sehr erfolgreicher Textilkaufmann, der im Jahr 2000 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Seine Mutter Elsbeth gründete aus seinem Vermögen die gemeinnützige Werner-Bonhoff-Stiftung, die sich für Gewaltprävention und Berufsbildung einsetzt. Auf der Webseite der Stiftung können Schüler testen, ob ihre Schule Mobbing im Griff hat. Und sie haben dort auch die Möglichkeit, der Schule anonym Mobbing-Vorfälle zu melden: nachdertat.de

Für mich ist funky eine gute Möglichkeit den Journalismus näher kennen zu lernen, da ich mir durchaus vorstellen kann, später in diesem Berufsfeld tätig zu sein. Mein bevorzugtes Thema ist Literatur, da ich selber eine kleine Leseratte bin. Vor allem reizt es mich aber, mich mit mir unbekannten Themen auseinander zu setzen, mir neues Wissen anzueignen und das dann mit den Leserinnen und Lesern zu teilen.