Auch investigativer Journalismus kann unterhalten

Jan Böhmermann hebt eine Augenbraue
Jan Böhmermann spielt damit, dass man ihn einerseits nicht ernst nehmen kann und ihn andererseits sehr ernst nehmen muss
Das sieht man am Beispiel von Moderatoren wie Jan Böhmermann und John Oliver, die investigativ recherchieren und witzig präsentieren.

Egal ob AfD-Spendenskandal, Russlands Einmischung in den US-Wahlkampf oder krumme CumEx-Geschäfte auf Kosten der europäischen Steuerzahler: Spektakuläre Enthüllungen und Skandale machen immer wieder Schlagzeilen in den Medien und rücken damit Missstände in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in den Fokus des öffentlichen Interesses. In einer Demokratie brauchen wir diese Form des Journalismus, denn ohne sie würden die meisten der skandalösen Praktiken – von Korruption und Steuerhinterziehung bis hin zu illegitimen Abhörpraktiken durch den Staat – ohne jegliche Folgen für die Verantwortlichen bleiben, und wir als Gesellschaft im Dunkeln.

In den letzten Jahren kommen die Enthüllungen aber nicht mehr nur ausschließlich aus den großen Redaktionsräumen des Spiegels oder der Washington Post. Investigativer Journalismus wird heute zunehmend auch von Entertainern und Satirikern wie Jan Böhmermann oder dem US-Amerikaner John Oliver gemacht. In Böhmermanns Latenightshow „Neo Magazin Royale“ (ZDF neo) zum Beispiel werden nicht nur platte Witze gerissen oder Promigäste über Belanglosigkeiten ausgefragt, sondern es wird auch Informations- und Aufklärungsarbeit geleistet.

Einfach und unterhaltsam erklärt: Karusselgeschäfte

So berichtete der Moderator erst vor Kurzem darüber, wie skrupellose Unternehmen und Geschäftsleute innerhalb der EU sich mithilfe sogenannter Karussellgeschäfte, bei denen durch einen Trick Steuern hinterzogen werden, auf unrechtmäßige Weise um Millionenbeträge bereichert haben.

Oft stützt sich das Team um Böhmermann dabei auf bereits vorhandene Berichte und die Recherchen anderer Journalisten. Doch das „Neo Magazin Royale“ ermittelt auch auf eigene Faust. Eine der bekanntesten Sendungen drehte sich darum, wie der Sender RTL bewusst Menschen ausnutzt und sie auf billigste Art und Weise vor der Kamera vorführt. Hierzu schleuste die Redaktion des Magazins zwei Schauspieler bei der Sendung „Schwiegertochter gesucht“ ein, um mit versteckter Kamera aufzudecken, wie der Sender mit undurchsichtigen Knebelverträgen meist hilfsbedürftige Menschen hinters Licht führt und sie schonungslos im Namen von Quote und Profit inszeniert.

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Es wird einer seiner größten Coups bleiben.

Noch konsequenter in diesem investigativen Ansatz ist die US-Latenightshow „Last Week Tonight“ des Comedians John Oliver. Seit 2014 recherchiert das Team um den charismatischen Moderator jede Woche zu den verschiedensten Themen, national und international: Mal geht es um das desolate amerikanische Gesundheitssystem oder Versäumnisse in der Umweltpolitik, dann wiederum um den Konflikt in Syrien oder die prekären Arbeitsverhältnisse bei Amazon.

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Achtung: Englisch und schnell.

Die Witze helfen, die bittere Wahrheit zu verdauen

Wiederkehrendes Motiv bei Sendungen wie dem „Neo Magazin Royale“ oder „Last Week Tonight“ ist die Kombination aus journalistischen und unterhaltenden Elementen: Immer wieder lockern die Moderatoren die Stimmung mit Witzen, Einspielern oder Memes auf, die dem Thema jedoch nichts an Seriosität nehmen. Vielmehr hilft der komödiantische Aspekt dabei, die oft bittere Wahrheit besser zu verdauen. Wenn John Oliver zum Beispiel den Menschenrechtsverletzungen in Russland nachgeht, kann man sich ein Lachen nicht verkneifen, wenn dabei auch die aberwitzigen Bilder des Präsidenten Putin – oberkörperfrei auf einem Pferd reitend – oder der urkomische, eigens dem Autokraten gewidmete Pop-Song „A Man Like Putin“ miteinbezogen werden.

Diese Comedy-Exkurse lenken nie vom Thema ab, sie dienen eher als eine Art Atempause zwischen den Salven an unangenehmen Informationen und den beißend sozialkritischen Kommentaren der Moderatoren. Oft unterstreichen sie auch einfach einen bestimmten Punkt noch einmal zusätzlich. Die Pop-Hymne für Putin mag zwar an Lächerlichkeit nicht zu überbieten sein, verdeutlicht aber, mit welchen Propagandamethoden der russische Autokrat arbeitet.

Das kann man trocken und langweilig machen, man kann es aber auch satirisch und auf eine unterhaltsame Art und Weise machen.

Medienwissenschaftler Johannes Ludwig über die Art, wie man Rechercheergebnisse veröffentlicht.

Die beiden Showformate zeigen: Information und Unterhaltung müssen sich nicht gegenseitig ausschließen. „Journalist zu sein, beinhaltet viele Dinge. Vor allem versuche ich, Informationen bekannt zu geben, ich helfe Menschen bei der Meinungsbildung und nehme dabei außerdem eine Art Watchdog-Funktion wahr“, fasst Medienwissenschaftler und Autor Johannes Ludwig den Kern des Journalismus zusammen und ergänzt: Wie die recherchierten Ergebnisse dann präsentiert werden, sei aber eine andere Frage. „Das kann man trocken und langweilig machen, man kann es aber auch satirisch und auf eine unterhaltsame Art und Weise machen – je nachdem, wen man ansprechen möchte und welche Zielgruppe man vor Augen hat.“

In Zeiten der Digitalisierung scheinen die Möglichkeiten der Präsentation endlos zu sein: YouTube, Facebook, Instagram, Twitter – alles kann als Medium für den investigativen Journalismus dienen. Entscheidend ist nur, dass es weiterhin Menschen gibt, die den Mächtigen auf die Finger schauen. „Egal ob wir jetzt den Klimawandel nehmen oder irgendein anderes gesellschaftliches Problem: Je eher man weiß, welche Baustellen es überhaupt gibt, desto schneller kann man dann auch handeln. Genau dafür brauchen wir den investigativen Journalismus“, bekräftigt Ludwig.

MEDIACAMPUS

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Als typisches Opfer des „Irgendwas mit Medien“-Syndroms war es für mich seit Langem klar, dass mich mein Weg früher oder später in die Welt des Journalismus führen würde. Zum Glück war in der funky-Redaktion noch Platz für mich. Denn schon immer wollte ich in einem Job arbeiten, in dem ich mich täglich mit neuen Themen beschäftige und dabei immer etwas Neues dazulernen kann. Nachdem mir schon mein Praktikum in der Jugendredaktion sehr gut gefallen hat, freue ich mich jetzt auch als Volontär für funky schreiben zu dürfen.