Mittwoch, der 27. April 2022: Es war der Tag X für alle Abiturenten aus NRW, die den Deutsch-Leistungskurs belegt haben. Als die Klausuren ausgeteilt wurden, war auf den ersten Blick keine Überraschung dabei. Alle bekannten Themen der Abiturvorgaben waren vertreten, darunter Klassiker wie das aufklärerische Drama „Nathan der Weise“ und der „aktuelle“ Roman „Unter der Drachenwand“ von Arno Geiger. Doch dann, beim vierten Vorschlag, stießen die Deutsch-LKler auf einen Text mit einer Sichtweise, die man im Abitur nicht unbedingt erwartet hätte: ein Ausschnitt aus dem Buch „Sprache und Sein“ von Kübra Gümüşay, einer nicht unumstrittenen deutsch-türkischen Journalistin, feministischen Bloggerin und Autorin.
Es war gut, dass dieser Text dabei war. Es zeigt, dass sich das Schulministerium endlich mal Gedanken gemacht hat, wie man einen anderen Blickwinkel in das doch recht eingestaubte Lernrepertoire aufnehmen kann. Trotzdem darf an dieser Stelle kein selbstgefälliges Schulterklopfen erfolgen, denn noch ist das Problem, das deutsche Schulen haben, lange nicht gelöst: die fehlende Diversität im Lehrplan. Das muss sich ändern, denn es braucht eine Vielfalt an Sichtweisen und Lebensrealitäten, unter anderem von Menschen mit Migrationshintergrund und verschiedenen Geschlechtern.
Ein kleines Beispiel: Alle Lektüren, die wir in der Oberstufe bearbeitet haben, wurden von Männern verfasst. Damit Schülerinnen und Schüler aber lernen, Diversität auch wirklich in allen Lebensbereichen der Gesellschaft zu berücksichtigen, bedarf es auch hier einer Veränderung. Und wo könnte man besser ansetzen als bei der die Gesellschaft formenden Literatur und Sprache? Sind wir mal ehrlich: Niemand möchte die Novelle „Tod in Venedig“ auseinandernehmen, wenn man sich auch mit Gümüşays „Sprache und Sein“ beschäftigen kann.
Eine gute Lösung wäre hier, verpflichtend einzuführen, dass sowohl in den Abitur-Schwerpunkten als auch im Lehrplan Diversität repräsentiert werden sollte, die im Übrigen in der deutschen Gesellschaft und Kultur längst vorhanden ist – nur eben im Lehrplan nicht.
Unterschiedliche Sichtweisen kennenzulernen ist schließlich wichtig, um respektvoller mit anderen Meinungen und Lebensmodellen umzugehen – und damit wir die toleranten Menschen werden, zu denen man uns doch wohl sicher erziehen möchte!
Marti Mlodzian
Mittwoch, der 27. April 2022: Es war der Tag X für alle Abiturenten aus NRW, die den Deutsch-Leistungskurs belegt haben. Als die Klausuren ausgeteilt wurden, war auf den ersten Blick keine Überraschung dabei. Alle bekannten Themen der Abiturvorgaben waren vertreten, darunter Klassiker wie das aufklärerische Drama „Nathan der Weise“ und der „aktuelle“ Roman „Unter der Drachenwand“ von Arno Geiger. Doch dann, beim vierten Vorschlag, stießen die Deutsch-LKler auf einen Text mit einer Sichtweise, die man im Abitur nicht unbedingt erwartet hätte: ein Ausschnitt aus dem Buch „Sprache und Sein“ von Kübra Gümüşay, einer nicht unumstrittenen deutsch-türkischen Journalistin, feministischen Bloggerin und Autorin.
Es war gut, dass dieser Text dabei war. Es zeigt, dass sich das Schulministerium endlich mal Gedanken gemacht hat, wie man einen anderen Blickwinkel in das doch recht eingestaubte Lernrepertoire aufnehmen kann. Trotzdem darf an dieser Stelle kein selbstgefälliges Schulterklopfen erfolgen, denn noch ist das Problem, das deutsche Schulen haben, lange nicht gelöst: die fehlende Diversität im Lehrplan. Das muss sich ändern, denn es braucht eine Vielfalt an Sichtweisen und Lebensrealitäten, unter anderem von Menschen mit Migrationshintergrund und verschiedenen Geschlechtern.
Ein kleines Beispiel: Alle Lektüren, die wir in der Oberstufe bearbeitet haben, wurden von Männern verfasst. Damit Schülerinnen und Schüler aber lernen, Diversität auch wirklich in allen Lebensbereichen der Gesellschaft zu berücksichtigen, bedarf es auch hier einer Veränderung. Und wo könnte man besser ansetzen als bei der die Gesellschaft formenden Literatur und Sprache? Sind wir mal ehrlich: Niemand möchte die Novelle „Tod in Venedig“ auseinandernehmen, wenn man sich auch mit Gümüşays „Sprache und Sein“ beschäftigen kann.
Eine gute Lösung wäre hier, verpflichtend einzuführen, dass sowohl in den Abitur-Schwerpunkten als auch im Lehrplan Diversität repräsentiert werden sollte, die im Übrigen in der deutschen Gesellschaft und Kultur längst vorhanden ist – nur eben im Lehrplan nicht.