Interview

Ukrainische Aktivistin: „Meine Familie sind 40 Millionen Menschen“

Die Aktivistinnen Masha und Lisa
Masha (links) und Lisa sammeln Spenden für Geflüchtete und organisieren Hilfstransporte in die Ukraine.

Immer mehr Menschen in Deutschland wollen dem Leid in der Ukraine nicht länger tatenlos zusehen. Sie demonstrieren für den Frieden, sammeln Spenden, nehmen Geflüchtete auf. Unter den Helfenden sind auch viele junge Menschen aus der ukrainischen Community. Wir haben mit zwei von ihnen über ihre Arbeit und die Erlebnisse der letzten Wochen gesprochen.

Julien Hoffmann, funky-Redakteur

Seit fast einem Monat herrscht Krieg in der Ukraine. Immer gnadenloser geht das russische Militär gegen die Zivilbevölkerung vor, bombardiert Krankenhäuser, Wohngebäude und Theater. Während der Schrecken in der Ukraine Tag für Tag weiter seinen grauenvollen Lauf nimmt, versuchen immer mehr junge Menschen aus der ukrainischen Community in Deutschland, ihre Heimat zu unterstützen.

Auch Lisa Plitkova (25) und Masha Borysenko (20) wollen ihren Beitrag leisten. Beide haben zwischenzeitlich Studium und Beruf aufgegeben, um sich voll und ganz der ehrenamtlichen Arbeit bei der kürzlich gegründeten Allianz Ukrainischer Organisationen zu widmen. Aktuell konzentriert sich der Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Diaspora- und Nichtregierungsorganisationen vor allem auf die Unterstützung ukrainischer Geflüchteter in Berlin und organisiert humanitäre Hilfslieferungen in die Ukraine. Im Interview sprechen Lisa und Masha über ihre Arbeit, die strukturellen Probleme in der Debatte über den Krieg und warum sie als Ukrainerinnen von den Deutschen manchmal bevormundet werden. 

Seit dem Beginn der russischen Invasion engagiert ihr euch ehrenamtlich in Vollzeit für die Ukraine. Wie sah euer Leben vor dem Krieg aus?

Lisa: Ich komme ursprünglich aus Odesa. Meine Mutter lebt immer noch dort. Ich habe in Kyjiw Politik studiert und war aktiv an den Maidan-Protesten beteiligt, wo ich dieselbe aktivistische Arbeit gemacht habe wie jetzt auch in Berlin. Seit ungefähr fünf Jahren lebe ich nun in Deutschland, um hier meinen Master in Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin zu machen. Eigentlich wollte ich nun meine Masterarbeit schreiben, aber das liegt jetzt erst mal auf Eis.

Masha: Meine Familie kommt größtenteils aus der ukrainischen Stadt Winnyzja, teils aus Kyjiw, teils aus Dnipro, aber ich wurde in Dresden geboren und bin dort aufgewachsen. Ich habe noch bis vor Kurzem im Marketing gearbeitet und war parallel dazu auch in der Antirassismus-Bewegung aktiv. Meinen Job habe ich nun gekündigt, damit ich mich voll und ganz auf die aktivistische Arbeit konzentrieren kann.

„Wir wollen den ukrainischen Geflüchteten dabei helfen, in der deutschen Gesellschaft anzukommen.“

Masha

Die Allianz Ukrainischer Organisationen hat sich erst kurz nach dem Beginn des Kriegs gegründet. Was sind eure Ziele?

Lisa: Die Allianz ist ein Zusammenschluss aus zehn ukrainischen Organisationen, darunter ist zum Beispiel der Verein Ukraine-Hilfe-Berlin oder die Bürgerinitiative Vitsche. Eine unserer Hauptaufgaben ist im Moment natürlich die Hilfe für Geflüchtete und die Menschen in der Ukraine. Dafür sammeln die einzelnen Organisationen Spenden und organisieren auch selbstständig den Transport in die Kriegsgebiete. Da bei uns überwiegend Menschen aus der Ukraine und der ukrainischen Diaspora arbeiten, haben wir direkte Kontakte ins Land und wissen so immer ganz genau, welche Hilfsgüter vor Ort gerade dringend benötigt werden.

Masha: Wir haben aber auch langfristige Ziele, die über den Krieg hinausgehen. Dazu gehört etwa, den ukrainischen Geflüchteten dabei zu helfen, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Gleichzeitig wollen wir die Menschen in Deutschland mit ukrainischer Kultur vertraut machen. Es geht darum, dass sich beide Seiten besser kennenlernen.

Wie sieht eure Arbeit gerade konkret aus?

Lisa: Wir sind im politischen Flügel der Allianz tätig. Das bedeutet, wir erarbeiten unter anderem Forderungen an die Regierung, organisieren Demonstrationen und kümmern uns um die Kommunikation mit Politikerinnen und Politikern. Wir stehen zum Beispiel in regem Austausch mit dem Berliner Senat und verschiedenen Parteien.

Masha: Wir haben auch viele Helfende, die in unterschiedlichen Bereichen tätig sind. Ich zum Beispiel bin auch noch in der Hilfe für Geflüchtete und im Krisenmanagement involviert.

„Wir erleben eine sehr große Solidarität der deutschen Zivilbevölkerung, wofür wir sehr dankbar sind“

Masha

Wie erlebt ihr momentan die Hilfsbereitschaft in Deutschland gegenüber den ukrainischen Geflüchteten?

Masha: Während der ersten zwei Wochen haben wir die Hilfe für die Geflüchteten ausschließlich mit Ehrenamtlichen organisieren können. Zum Glück erleben wir eine sehr große Solidarität der deutschen Zivilbevölkerung, wofür wir sehr dankbar sind. Leider hat es etwas länger gedauert, bis wir vom Berliner Senat Unterstützung bekamen. So hat es anfangs vor allem an Struktur, Schutz, Übernachtungsmöglichkeiten und Unterkünften gefehlt. In Berlin kamen mitunter bis zu 10.000 Geflüchtete pro Tag an. Und ich weiß nicht, wie wir es in den ersten zwei Wochen ohne die zahlreichen Freiwilligen geschafft hätten, die Tag und Nacht geholfen haben, indem sie am Hauptbahnhof Essen verteilten, die Menschen unterstützten, Auskunft gaben oder Unterkünfte bereitstellten. Inzwischen hat sich die Lage zum Glück verbessert, wir stehen in ständigem Austausch mit dem Senat und arbeiten jetzt auch effektiv zusammen.  

Was für Menschen arbeiten bei euch?

Masha: Die meisten bei uns stammen aus der ukrainischen Diaspora oder kommen aus der Ukraine. Viele derjenigen, die den Geflüchteten helfen, sind sogar selbst Geflüchtete. In den ersten zwei Wochen haben wir eine Arbeit geleistet, für die man normalerweise Monate braucht: Wir haben verschiedene Departments aufgebaut, Menschen rekrutiert und ganz unbürokratisch Hilfe organisiert. Und das alles komplett ohne finanzielle Hilfsmittel oder professionell dafür ausgebildete Menschen! Viele von uns sind ja gar nicht für die Arbeit qualifiziert, die wir gerade machen.

„Ich finde es wichtig, dass sich beide Seiten besser kennenlernen, mehr übereinander herausfinden und zusammen für die gleichen europäischen Werte einstehen.“

Lisa
Lisa und Masha haben ihr Studium aufgegeben, um den Menschen in ihrem Heimatland zu helfen. Foto: Olexiy Bardadym

Warum geht der Krieg auch junge Menschen in Deutschland etwas an?

Lisa: Ich halte es für eine wichtige Aufgabe, dass die Jugend in Deutschland auf die Menschen aus der Ukraine zugeht und ihnen hilft, in der deutschen Gesellschaft anzukommen. Ich finde es wichtig, dass sich beide Seiten besser kennenlernen, mehr übereinander herausfinden und zusammen für die gleichen europäischen Werte einstehen. Man kann so viel voneinander lernen. Sowohl die Deutschen von den Menschen aus der Ukraine als auch umgekehrt. Meine Bitte an die Menschen hierzulande ist: Bitte behandelt die Geflüchteten aus der Ukraine mit Respekt. Denn zum Teil werden sie eure Nachbarn, ihr werdet gemeinsam in die Schule gehen und vielleicht werdet ihr sogar zu Freunden.

Wie geht es denn eurer Familie und euren Freunden in der Ukraine?

Lisa: Wir können es uns gerade nicht erlauben, viel an unsere Verwandten und Freunde in der Ukraine zu denken, weil wir sonst vor lauter Angst und Sorge um sie nicht mehr arbeitsfähig wären. Ich bin immer sehr traurig, wenn man mich nur zu meiner Familie in der Ukraine befragt, weil meine Familie jetzt nicht nur meine Mutter in Odessa ist, sondern alle 40 Millionen Einwohner*innen des Landes dazugehören. Ich möchte den Fragenden auch nicht immer nur das antworten, was sie hören wollen, nämlich dass alles gut ist und meine Mutter gerade in Sicherheit ist. Denn das ist sie einfach nicht.

Masha: Ich denke, ich kann für uns alle sprechen, wenn ich sage, dass wir uns unfassbare Sorgen machen. Viele von uns kommen aus Städten, die nach den Bombardierungen inzwischen nicht mehr wiederzuerkennen sind. Ich habe Familie und Freunde in der Ukraine, die sich jeden Tag vor Bombenangriffen in Kellern verstecken müssen und gar nicht mehr rauskommen können. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie furchtbar das ist. Einige von ihnen sind auch bereits auf dem Weg nach Deutschland, weil ihre Häuser nicht mehr stehen. 

Bei der Demo für Frieden und Solidarität mit den Menschen in der Ukraine gingen in Berlin mehrere Zehntausend Menschen auf die Straße. An der ersten Demo nahmen sogar rund 100.000 Menschen teil. Ihr veranstaltet jedoch eure eigenen Demos. Warum?

Masha: Leider gab es einige Schwierigkeiten, was die Kommunikation mit den Organisatoren betrifft, unter anderem, weil wir auch Waffenlieferungen fordern. Das wollten sie nicht unterstützen und haben daher jeglichen Kontakt zu uns gemieden. Es fand leider auch gar kein richtiger Dialog statt, wir wurden nicht mal gefragt, warum wir das fordern, was wir fordern. Am Ende lief es darauf hinaus, dass sie eine Solidaritätsdemo für die Ukraine organisierten, ohne dabei jedoch wirklich mit der ukrainischen Community in Kontakt zu treten. Das finden wir sehr problematisch.

„Wir werden nicht als Subjekt, sondern als Objekt behandelt.“

Lisa

Ist das ein strukturelles Problem? Fühlt ihr euch als ukrainische Community in Deutschland bevormundet und marginalisiert?

Masha: Leider sprechen wir hier von tief sitzenden Strukturen, die bereits seit Jahrzehnten existieren. Viele Menschen, mit denen ich in der Vergangenheit gesprochen habe, wussten vor dem Krieg nicht einmal, wo die Ukraine auf der Karte liegt. Ich wurde sogar häufiger gefragt, ob die Ukraine nicht einfach eine Provinz Russlands sei. In Deutschland werden Osteuropa, Zentralasien und der Kaukasus grundsätzlich leider immer noch sehr häufig mit Russland gleichgesetzt. Das liegt ganz wesentlich am imperialistischen Machtanspruch Russlands, der auch viel über kulturelle Aneignung funktioniert.

Lisa: Ein Klassiker ist das Gericht Borschtsch, das viele als Nationalgericht Russlands kennen. Dabei kommt es tatsächlich ursprünglich aus der Ukraine. Das Problem ist, dass diese Formen der „Cultural Appropriation“ sehr oft unhinterfragt in Deutschland reproduziert werden und dadurch die kulturelle Eigenständigkeit der vielen osteuropäischen Länder unsichtbar gemacht wird. Wir werden nicht als Subjekt, sondern als Objekt behandelt. Und genau das sieht man auch in vielen anderen Kontexten, so eben auch bei der Organisation von Demos, wo über uns, aber nicht mit uns geredet wird.

„Beim ukrainischen Nationalismus geht es nicht um Überlegenheit, sondern um Selbstverteidigung.“

Masha

Gerade in der linken Szene gibt es viele, die sich mit der nationalen Symbolik der Ukraine schwertun. Was entgegnet ihr Menschen, die euch nationalistische oder gar rechte Tendenzen vorwerfen?

Lisa: Unser Präsident ist jüdisch. Im ukrainischen Parlament gibt es keinen einzigen Abgeordneten, der eine rechte Partei vertritt – übrigens ganz im Gegensatz zu Deutschland, wo die AfD bei der letzten Bundestagswahl bekanntlich zehn Prozent der Stimmen erhielt.

Masha: Wer sich nur ein wenig mit ukrainischer Geschichte beschäftigt, merkt schnell, dass sich das Land über Jahrhunderte hinweg verteidigen musste, weil es immer wieder von verschiedenen Nationen angegriffen wurde – auch von Deutschland. Diese Tatsache wird hierzulande leider oft vergessen und im historischen Gedächtnis ausgeklammert. Laut offiziellen Schätzungen ermordeten SS und Wehrmacht im Vernichtungskrieg in der Ukraine zwischen 8 und 12 Millionen Menschen. Es ist wichtig, den ukrainischen Nationalismus vor diesem historischen Hintergrund zu verstehen. Anders als bei den Nationalsozialisten geht es beim ukrainischen Nationalismus nicht um Überlegenheit gegenüber anderen Völkern, sondern um Selbstverteidigung. Man muss hier differenzieren. Die Ukraine ist keine Kolonialmacht, sondern wehrt sich gegen dem imperialen Machtanspruch Russlands.

In Deutschland argumentieren inzwischen einige, die Ukraine solle einfach kapitulieren, da der Krieg ohnehin nicht zu gewinnen sei. 

Lisa: Das ist Victim-Blaming. Es darf nicht sein, dass die Verantwortung für den Krieg den Opfern übertragen wird. Doch genau das passiert leider gerade. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Die Ukraine wurde von Russland angegriffen. Nicht umgekehrt. Wer hier im sicheren Deutschland fordert, dass unser Land einfach kapitulieren sollte und dass Waffen nicht helfen werden, sollte wirklich einmal in die Ukraine fahren und das den Menschen ins Gesicht sagen, die dort gerade ihre Familien verteidigen.

Masha: Viele in Europa verstehen einfach nicht, dass sie die Nächsten sind, wenn Russland nicht gestoppt wird. Die Ukraine kämpft nicht nur für sich, sondern für alle anderen europäischen Staaten. Russland führt bereits seit Jahren aktiv Krieg in anderen Ländern. Und falls die Ukraine es nicht schaffen sollte, sich mithilfe der restlichen Welt vor der Eroberung zu verteidigen, drohen schreckliche Repressionen. Nicht nur dort, sondern auch in anderen europäischen Ländern. Das müssen wir mit allen Mitteln verhindern.

„Wie viel muss noch passieren, damit wir verstehen, dass alle russischen Menschen gerade Verantwortung tragen?“

Lisa

Was fordert ihr vor diesem Hintergrund von der Bundesregierung?

Lisa: Wir fordern eine klarere Position gegenüber Russland. Man muss verstehen: 85 Prozent der russischen Bevölkerung unterstützen diesen Krieg, aktiv und passiv. Erst vor ein paar Tagen bejubelten zehntausende Menschen das „Jubiläum“ der Krim-Annexion. Währenddessen behauptet Bundeskanzler Scholz noch immer, dies sei „Putins Krieg“. In den Medien und Regierungskreisen beobachtet man gerade sehr viel Empathie für die Menschen in Russland. Immer wieder wird betont, dass die Mehrheit unter Putin leide. Dieses Narrativ ist jedoch problematisch, denn wenn mehr als die Hälfte den Krieg feiert, dann können wir nicht ständig unkritisch von „der armen Bevölkerung“ reden. Den Krieg lediglich mit Putin und der Regierung zu assoziieren, halten wir für sehr gefährlich. Wie viel muss noch passieren, damit wir verstehen, dass alle russischen Menschen gerade Verantwortung tragen?

Masha: Unsere Aufmerksamkeit sollte weniger der Bevölkerung Russlands, sondern vorrangig den Opfern dieses Krieges gelten. Als Allererstes braucht es Verständnis und Hilfe für die Opfer – für Geflüchtete, die traumatisiert nach Deutschland kommen, und für Menschen in der Ukraine, die gerade Tag für Tag bombardiert werden. Ein weiteres Problem ist der Menschenhandel an den Grenzen und zunehmende sexuelle Missbräuche gegenüber geflüchteten ukrainischen Frauen. Der Fokus muss zuerst auf dieser humanitären Katastrophe liegen.

„Wir müssen aus der Geschichte lernen. Die Parallele zum Nationalsozialismus ist teilweise frappierend.“

Lisa

Ihr argumentiert also für eine kollektive Verantwortung der russischen Bevölkerung? Zieht ihr hier den Vergleich zu Nazi-Deutschland?

Lisa: Wir müssen aus der Geschichte lernen. Die Parallele zum Nationalsozialismus ist teilweise frappierend. Nach dem Zweiten Weltkrieg entzogen sich auch viele Deutsche ihrer Verantwortung. Lange herrschte das Narrativ, allein Hitler und die Führungsriege seien für all das Leid und den Terror verantwortlich. Auch vom Holocaust wollen viele nach 1945 nichts gewusst haben. Natürlich wissen wir heute, dass das nicht stimmt. Eine sehr ähnliche Entwicklung sehen wir nun auch in Russland, wo eine Mehrheit den Krieg befürwortet, aber gleichzeitig die eigene Verantwortung dabei abstreitet. Putin führt diesen Krieg jedoch ebenso wenig allein wie damals Hitler.

Masha: Die starke Empathie mit der russischen Bevölkerung erschwert zudem auch die Akzeptanz für Sanktionen und weitere Maßnahmen, die den Krieg beenden können. Im Gegenteil: Das Mitleid mit Russland führt dazu, dass wir höchstwahrscheinlich kein vollständiges Öl- und Gasembargo umsetzen, wodurch wir am Ende den Krieg jeden Tag mit Millionen von Euro weiterfinanzieren. Wir brauchen deshalb stärkere Empathie für all diejenigen, die die Freiheit und die europäischen Werte in der Ukraine verteidigen, und weniger Sympathie für die Menschen, die nun unter Sanktionen leiden.

Besteht hier nicht eine Gefahr der Pauschalisierung? Viele Russinnen und Russen wollen ja sogar helfen. Wie geht ihr selbst mit dem Thema bei euch um? Wäre es nicht gerade jetzt wichtig, Brücken zwischen ukrainischen und russischen Menschen zu bauen?

Lisa: Es ist nicht so, dass wir kategorisch jeden Kontakt zu russischen Menschen ablehnen würden. Man muss jedoch verstehen, wie hochgradig sensibel dieses Thema ist. Wir haben es bereits mehrfach erlebt, dass russische Menschen bei uns als Helfer*innen angefangen haben, nur um dann die ohnehin schon traumatisierten Geflüchteten als Faschisten zu beschimpfen. Auch in Deutschland gibt es viele, die für Putin sind und der Propaganda glauben. Deswegen müssen wir hier sehr vorsichtig sein und Hilfe leider manchmal auch ablehnen. Natürlich gibt es Russinnen und Russen, die es gut meinen und die uns wirklich helfen wollen. Auch bei uns arbeiten ehrenamtlich Menschen aus Russland, und das wertschätzen wir sehr. Sicher können wir später auch versuchen, auf jeden einzelnen Menschen einzugehen. Aber momentan herrscht einfach ein russisch geführter Krieg mit einer Unterstützung von 85 Prozent der russischen Bevölkerung. Die differenziertere Auseinandersetzung und Empathie der russischen Bevölkerung gegenüber kann für uns erst nach dem Krieg passieren.

In einem Artikel der „Zeit“ über eure Arbeit wird erwähnt, dass eure Handys gehackt wurden. Erlebt ihr seit eurer Gründung auch andere Formen von Angriffen?

Masha: Leider hört es beim Hacken nicht auf. Wir erleben immer wieder, wie Fremde in unserem Hauptquartier auftauchen und dort Fotos machen. Bei einem unserer Aktivisten wurde vor Kurzem nun sogar eingebrochen. Sie wollten wohl die Botschaft senden: Wir wissen, was du machst, und wir wissen, wo du wohnst. Wir sind bereits mit den Behörden in der Bearbeitung.

Es geht euch auch um den kulturellen Austausch zwischen Deutschland und Ukraine. Könnt ihr erklären, was ihr genau vorhabt?

Lisa: Wir haben aktuell keinen Ort, an dem sich die ukrainische Diaspora versammeln kann. Dabei leben allein in Berlin rund 24.000 Ukrainerinnen und Ukrainer. Tendenz steigend. Deshalb arbeiten wir gerade an der Gründung eines Ukrainischen Hauses. Solch ein kulturelles Zentrum, wo Ausstellungen stattfinden könnten und man sich einfach austauschen kann, wäre extrem wichtig.

Masha: Zwar haben wir freundlicherweise vom Pilecki-Institut in Berlin Räume zum Arbeiten zur Verfügung gestellt bekommen, doch das ist natürlich keine langfristige Lösung. Wir möchten die Gastfreundschaft nicht ausreizen. Eine eigenständige Einrichtung würde uns dabei helfen,  den interkulturellen Austausch in Zukunft voranzutreiben und dafür zu sorgen, dass die Solidarität der Deutschen auch weiterhin bestehen bleibt. 

Als typisches Opfer des „Irgendwas mit Medien“-Syndroms war es für mich seit Langem klar, dass mich mein Weg früher oder später in die Welt des Journalismus führen würde. Zum Glück war in der funky-Redaktion noch Platz für mich. Denn schon immer wollte ich in einem Job arbeiten, in dem ich mich täglich mit neuen Themen beschäftige und dabei immer etwas Neues dazulernen kann. Nachdem mir schon mein Praktikum in der Jugendredaktion sehr gut gefallen hat, freue ich mich jetzt auch als Volontär für funky schreiben zu dürfen.