Interview

„Tu, was du gut kannst“

Tove Styrke, schwedische Musikerin

Auf Tove Styrkes neuem Album „Sway“ geht es um Gefühle. Kein Wunder, dass wir mit der schwedischen Pop-Musikerin genau darüber sprachen: Über Gefühle, Zweifel und Schönheit.

„Ist es o. k., wenn ich mich schminke, während wir uns unterhalten?“, fragt Tove Styrke als Erstes. Sie kommt von einem Fotoshooting und wird im Anschluss noch ein Videointerview geben. Die schwedische Pop-Musikerin ist gerade auf Tour mit Katy Perry, als wir uns in Berlin-Kreuzberg treffen. Ein Tag hier, dann geht es weiter. Ihre Sätze wählt sie mal mit Bedacht, mal schießen die Wörter aber auch einfach aus ihr heraus. Wenn ihr etwas besonders wichtig wird, pocht sie mit dem Concealer auf den Tisch, den sie das ganze Gespräch durch dann doch zu wenig mehr verwendet.

Im Mai hast du dein drittes Album herausgebracht. Bist du zufrieden damit?
Sehr. Ich liebe es und ich bin so stolz darauf. Es ist tatsächlich genau so geworden, wie ich es wollte. Ich hatte diese eine Idee, dass alles etwas zurückgenommener ist und gleichzeitig sehr aufrichtig, ehrlich und echt. Ich denke, wir waren erfolgreich damit. Und das ist wirklich das beste Gefühl. Ich möchte in der Lage sein, mein größter Fan selbst zu sein. Und ich glaube, das kann ich.

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Du hast in einem Interview gesagt, dass dich das Album verändert hat. Was hat sich verändert?
„Sway“ zu machen, war eine großartige Erfahrung. Ich habe mit dem Gefühl angefangen, dass ich über Menschen schreiben will. Darüber, wie sie miteinander in Verbindung stehen und was passiert, wenn sie sich aufeinander einlassen. Und wenn es nicht funktioniert, warum es nicht funktioniert. Ich war sehr fasziniert von diesem Zwischenmenschlichen. Aber es ist etwas passiert, was ich nicht habe kommen sehen. Wenn du andere Leute beobachtest, dann beobachtest du dich selbst sehr genau. Andere Menschen sind wie Spiegel. Wenn du die Reflexion deines Selbst in einer anderen Person magst, dann magst du normalerweise auch diese Person. Manchmal hast du aber das Gefühl, das Bild, was du zurückbekommst, ist gestört, als würde dich die Person nicht verstehen.

Wie kommst du von diesem Gefühl zu einem Song?
Wenn ich Songs schreibe, dann tauche ich tief ein. Ich stecke viel Zeit, manchmal Monate in einen Song. „Mistakes“ ist so ein Beispiel. Ich wollte über die verschiedenen Facetten von mir in unterschiedlichen emotionalen Momenten schreiben. Wenn ich über eine bestimmte Sache schreibe, dann muss ich mich den Seiten von mir wirklich stellen, egal ob ich sie mag oder auch nicht mag. Es ist wie die Schauspielmethode. Je mehr du über deine Gefühle nachdenkst, desto mehr fängst du an, dich ein wenig mehr genau so zu verhalten. Du lebst das Ganze durch, über das du gerade nachdenkst. Das ist manchmal ein wenig erschreckend, aber ich merke auch, dass ich eine Menge dabei lerne und dazu komme, mich mehr so zu akzeptieren, wie ich bin.

„Wenn du ein Fan von dir selbst bist, dann kann niemand etwas sagen. Das ist Freiheit.“
Tove Styrke

Findest du dich schön? Und was ist Schönheit für dich?
Ich denke, ja, ich bin schön. Und ich denke, jeder Mensch ist es. Es ist so traurig, Menschen zu sehen, die sich nicht selbst lieben. Denn wenn du dich selbst liebst und Vertrauen in dich hast, dann gibt es keine Grenzen für das, was du tun kannst. Was du kannst, ist, was du bist. Und das ist alles in deinem Kopf. Wenn du ein Fan von dir selbst bist, dann kann niemand etwas sagen. Das ist Freiheit. Das sind endlose Möglichkeiten. Ich wünsche mir, ich hätte das früher in meinem Leben gefühlt.

Ist das etwas, das mit dem Alter kommt?
Ich denke, einige Aspekte, wie sich selbst verstehen, brauchen eine Weile. Auch wenn ich weiß, dass ich es nie vollständig herausfinden werde, befinde ich mich in einer konstanten Mission, mich selbst zu verstehen. Aber du wirst niemals die kleine Box finden, in die du hereinpasst, weil Menschen nicht so sind. Ich denke, der beste Weg glücklich zu sein und sich gut zu fühlen, ist das zu akzeptieren und damit zu leben, was auch immer für eine Person du heute bist. Vielleicht fahre ich es heute gegen die Wand, vielleicht bin ich großartig. Beides ist perfekt.

Viele junge Leute können das aber nicht einfach so.
Die Leute kümmern sich so viel darum, was andere über sie denken. Aber es ist egal, weil deine stärkste Waffe ist, immer du selbst zu sein. Wir verbringen so viel Zeit damit, andere Menschen zu kopieren. Aber du wirst niemals so gut eine andere Person sein wie sie selbst. Und sie werden niemals so gut du sein wie du selbst. Deswegen: Sei einfach du selbst! Es ist so klischeehaft, aber sei du selbst und mach, was dir Spaß macht. Tu etwas, wovon du denkst, dass du es gut kannst, und mach los. So viel mehr kann so erreicht werden. Junge Menschen sind so brilliant und schlau und lustig und talentiert. Sie müssen sich einfach nur entspannen.

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Lorde liebt den Song – Ein Kompliment, das für Tove Styrke einfach unglaublich ist.
Mittlerweile ist sie mit ihr befreundet. So schnell kann es gehen. 

Du hast schon mit 16 Jahren an einer Castingshow teilgenommen. Was haben dir deine Eltern mitgegeben?
Sie haben mich immer sehr unterstützt. Vor allem meine Mama ist sehr gut darin, mich daran zu erinnern, dass ich immer Nein sagen kann. Auch wenn du es jemandem gesagt hast oder sogar versprochen, du kannst immer aussteigen, wenn du das Gefühl hast, es ist nicht das Richtige. Ich denke, es ist gut, sich daran zu erinnern. Ich meine, eine gewisse Arbeitsmoral ist wichtig, aber du musst dich selbst immer voranstellen.

Du warst mit Lorde und Katy Perry auf Tour, hast ein hochgelobtes drittes Album herausgebracht.  Was soll da noch kommen? Was wirst du in 24 Stunden, in 24 Monaten und in 24 Jahren tun?
In 24 Stunden bin ich beim Soundcheck in Kopenhagen. In 24 Monaten habe ich vielleicht zwei Alben mehr raus und mache eine World Tour. (grinst) Und in 24 Jahren habe ich ein Haus und einen Hund. Einen kleinen, denke ich, damit er mit mir zusammen reisen kann. Katy hat einen supersüßen Hund, Nugget, und er kommt immer mit. Das will ich auch.

Titelbild: Sony Music

Als ich mit der Schule fertig war, wollte ich nur einen Job, der mir nie langweilig wird. Die Kulturszene, dachte ich mir, ist doch eine Szene voller Wandel. Deswegen habe ich Kulturarbeit studiert. Später habe ich festgestellt, dass es im Journalismus noch mehr Abwechslung gibt, weil man stets auf der konkreten Suche nach den neuen heißen Themen ist. Doch weil über Vergangenheit und Gegenwart schon so viel geschrieben wird, studiere ich nun Zukunftsforschung und schaue, ganz ohne Glaskugel, in die Zukunft.