Meinung

Bin ich nicht deutsch, weil ich keine Bockwurst mag?

Deutsches Essen mit Wurst, Sauerkraut und Bier
Deutsches Essen mit Wurst, Sauerkraut und Bier (c) pexels.com

Was bedeutet es, Deutsch zu sein? Für unsere Autorin steht Deutschland vor allem für Diversität. Damit trifft sie leider oft auf Unverständnis.

Von Omeima Garci, Klasse 10, Helmut-Schmidt-Gymnasium Hamburg

Dieser Artikel wurde als „Bester Artikel allgemein“ im Rahmen des Schülerwettbewerbs „Schüler machen Zeitung“ ausgezeichnet.

Ich heiße Omeima – kein wirklich deutscher Name. Mein Aussehen ist auch nicht typisch deutsch. Spätestens wenn ich gefragt werde, wo ich denn “wirklich“ herkomme, ist allen klar: Ich bin nicht deutsch. Meine Eltern sind aus Tunesien und Marokko – da kann ich doch unmöglich deutsch sein! Ich mag ja nicht einmal Bockwurst und durch meine Adern fließt kein deutsches Blut .
Aber ist es wirklich so einfach? Hängt meine Nationalität, ja meine Identität tatsächlich davon ab, ob ich Bockwurst mag ?

Ich bin hier geboren – genauer gesagt in Hamburg. Ich habe deutsche Freunde, spreche Deutsch und denke Deutsch. Es ist für viele Menschen trotzdem ein Rätsel, warum ich mich selbst als Deutsche bezeichne. Sie machen meine Identität an den Herkunftsländern meiner Eltern fest. In ihren Augen bin ich eine Ausländerin und der deutsche Pass sagt nichts über mich aus.

Ein Papier sagt nichts über uns aus

In dem Punkt haben sie sogar ein bisschen Recht. Der deutsche Pass ist nur ein Dokument; er definiert uns aber nicht als Menschen. Deutsch ist nicht gleich Deutsch. Es gibt mittlerweile 82 Millionen Arten Deutsch zu sein. Und es ist ein Denkfehler, zu glauben, dass es eine feste Definition vom Deutsch-Sein gibt.

Wir alle sind Deutsch und die Leitkultur ist unser Grundgesetz. Ich verstehe Deutsch sein als verschieden sein. Dazu gehört auch, einen anderen Background zu haben und ihn nicht zu verleugnen, da gerade dieser mich zur Deutschen macht. Denn Deutschland bedeutet auch Diversität.

Gebt mir Raum, mich selbst zu definieren!

Warum aber mache ich mir Gedanken dazu, wenn ich doch weiß, was für mich Deutsch sein bedeutet? Neulich war ich in der Innenstadt unterwegs und eine ältere Dame fragte mich, ob ich denn schon Deutsch könne. Als ich erwiderte, dass ich Deutsche sei, war sie verwirrt. Sie dachte ich wäre eine Geflüchtete. Dass ich verwechselt wurde, ist für mich kein Problem. Schade finde ich aber, dass mir kein Raum gelassen wurde, mich selbst zu definieren. Ihre Frage hörte sich für mich mehr an wie ein Vorwurf.

Niemand ist vor’m Schubladen-Denken sicher

Diese Voreingenommenheit hat mich persönlich getroffen und ich frage mich wie viel Deutsch tatsächlich in mir steckt.
Auch ich erwische ich mich dabei, wie ich Menschen in Schubladen stecke – Das geschieht meistens unbewusst. Wenn ich den Namen Martin Müller lese, ist dieser Mensch direkt Deutsch für mich – Und damit meine ich nicht Papierdeutsch, sondern wirklich Deutsch. Ich hab das Problem also selber. Trotzdem versuche ich dann, diesem Menschen den Raum zu lassen, sich selbst zu definieren.

Dieser Verwirrung der Leute über meine Aussage “Ich bin Deutsche“ begegne ich beinahe überall. Wie zum Beispiel auch am Filmset einer Kunsthochschule. Dort fragte mich einer der Schauspieler, wo ich denn herkomme.
Als ich dann erwiderte, dass ich Hamburgerin sei, meine Eltern aber aus Nordafrika stammen würden, drehte sich eine Catering–Dame um und warf mir vor, ich sei für sie keine Deutsche. Nur „rein Deutsche“ dürften sich Deutsch nennen. Rein deutsch – eine Formulierung, die mir beim Tippen gerade mit rot als falsch gekennzeichnet wird. Zum ersten mal gebe ich Open Office Recht.

Ich bin Deutsch, weil ich mich so fühle

Dieser Begriff ist nicht nur abstoßend, sondern auch falsch. Es gibt keine reine Rasse. Wir sind alle Menschen, die es verdienen, gleich behandelt und akzeptiert zu werden. Deshalb bin ich also Deutsch. Weil ich mich so fühle und gerade, weil ich einen anderen Background habe.

Ich muss Bockwurst nicht mögen um Deutsch zu sein. Ich bin froh darüber, auf eine Schule wie das Helmut-Schmidt-Gymnasium zu gehen. Hier reden wir über solche Themen. Engagierte Lehrer veranstalten ganze Poetry-Abende und entwickeln mit uns Stücke, um die Leute zum Nachdenken zu bringen. Also bevor du, lieber Leser, überlegst, ob du Deutsch, Türkisch oder Chinesisch bist, bist du vor allem eins: Mensch.

Beitragsbild: pexels.com

Von Reinickendorf bis Bochum, von Fulda bis Ottensen – überall schreiben Schülerinnen und Schüler Artikel über das, was um sie herum passiert. Jeder und jede aus ihrer eigenen Sichtweise, mit eigener Meinung und eigenem Schwerpunkt. Bei all den Unterschieden eint sie, dass sie mit ihrer Klasse an MEDIACAMPUS teilnehmen, dem medienpädagogischen Projekt der Funke Mediengruppe. Das erlernte Wissen wenden sie dann praktisch an, indem sie erste journalistische Texte schreiben. Auf funky können sie die Früchte ihrer Arbeit präsentieren.

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