Jugend Rettet e.V.: Mutiger Einsatz auf dem Mittelmeer

Das Schiff von Jugend Rettet
© Jugend Rettet | Jule Müller

Viele haben bereits vergessen, dass noch vor wenigen Monaten Hunderte von Menschen versuchten, von Nordafrika über das Mittelmeer nach Europa zu fliehen. Die Organisation Jugend Rettet möchte weiterhin Bewusstsein für die Problematik schaffen.

Von Lia Kaltegärtner, Klasse 8a, Schiller-Schule Bochum

Viele Flüchtende ertranken, weil die Boote, auf denen sie kamen, für eine Fahrt über das Meer nicht geeignet waren. Um diese Menschen aus der Seenot zu retten, gründete sich eine Reihe von privaten Gruppen. Eine dieser  Gruppen ist der Jugend Rettet e.V.. Und einer der Menschen, die sich dort ehrenamtlich – also ohne Bezahlung, sondern nur für Verpflegung und Unterkunft – engagiert, ist Kai Kaltegärtner. Er war mit Unterbrechungen mehrere Wochen Kapitän der IUVENTA. Die IUVENTA ist das Schiff von Jugend Rettet e.V., mit dem viele Flüchtlinge vor dem sicheren Tod auf dem Meer gerettet wurden.

Hallo Kai, was macht die Organisation Jugend rettet und was möchte sie bewirken ?
Die Organisation Jugend Rettet ist ein Zusammenschluss junger Erwachsener in einem Verein. Sie wollten nicht zuschauen, wie flüchtende Menschen an Europas Außengrenze ertrinken. Sie haben ein Schiff gekauft und dieses vor der libyschen Küste eingesetzt, um Menschen zu retten.

Wie kamst du darauf, bei Jugend Rettet mitzumachen?
Ich hatte von der Thematik schon in den Medien gehört und wollte helfen. Als mich ein Freund anrief und erzählte, er sei bei Jugend Rettet und erwähnte, dass der Verein noch Personen mit Erfahrung auf See bräuchte, habe ich mich beworben.

Was waren deine Aufgaben?
Die Aufgaben bestanden darin, mit einem kleinen Schiff und einer guten, aber jungen und vor allem unerfahrenen Mannschaft Menschen zu retten, Verwundete zu versorgen und weitere Hilfe – vor allem Transportmöglichkeiten – zu organisieren. Etwas Vergleichbares habe ich vorher noch nicht erlebt.

Man erkennt, mit welchen Privilegien wir Europäer eigentlich aufwachsen.”

Würdest du bei einer solchen Organisation nochmal mitmachen?
Auf jeden Fall. Es gibt dir die Möglichkeit, zu erfahren, wie einfach es sein kann, sich zu organisieren, um Hilfe zu leisten und Menschen zu begegnen. Man lernt für das Leben und erkennt mit welchen Privilegien wir Europäer eigentlich aufwachsen: keine Angst zu haben vor Hunger, Vertreibung und Krieg zum Beispiel.

Welche Erfahrungen konntest du mitnehmen?
Ich glaube, ich habe ein Gefühl dafür bekommen, einen Unterschied ausmachen zu können. Damit meine ich die Erfahrung: Wenn du es willst, kannst du etwas ändern!

Wie war die Stimmung auf dem Schiff?
Durchweg sehr gut. Die helfenden Menschen treffen da ja mehr oder weniger durch Zufall aufeinander, aber sie verbindet ein triftiger Grund. Und man lernt andere Meinungen und Sichtweisen kennen. Natürlich gab es auch sehr traurige Momente, gerade wenn Menschen zu Tode kamen und wir zusammen getrauert haben.

Hast du durch die Erfahrungen eine neue oder andere Sichtweise auf Flüchtlingspolitik bekommen?
Mir ist die Komplexität deutlicher geworden, die hinter solchen Themen steckt. Es gibt auf solche Probleme viele Antworten und diese Antworten gibt es auch nur, wenn man sich ernsthaft damit auseinandersetzt. Das geht aber nicht, wenn sich Menschen hinter Mauern verstecken. Das Zeitalter von Burgen und Festungen ist vorbei.

Wenn du deine Arbeit dort in einem Satz beschreiben müsstest – Wie würde er lauten?
Meine Aufgabe war, das Schiff und einen sicheren Betrieb an Bord zu organisieren und im Einklang mit der Struktur an Land und dem, was in die Öffentlichkeit getragen wird, zu halten .

Wie viele Leben hat die Organisation Jugend Rettet ungefähr gerettet?
Ich habe irgendwann ein Unwohlsein gegenüber diesen Zahlen bekommen. Sie trüben den Blick auf die einzelnen Schicksale. Auch wenn viele gerettet wurden – 14.000 Menschen wie ich meine – haben es zu viele nicht geschafft und einige derer, die es geschafft haben, zahlen einen hohen persönlichen Preis.

Wie kamst du mit Stress-Situationen klar?
Natürlich waren das sehr anstrengende Einsätze. Mir hat es geholfen, dass das Team gut funktionierte und auch, dass wir vor und nach den Einsätzen eine gute Betreuung hatten, in der wir viel über das Erlebte und seine Wirkungen reden konnten. Und ab und an ein bisschen Sport tat auch gut.

Was sind die Grundvoraussetzungen, um bei so einer Organisation mit zu machen?
Das kommt ganz darauf an, in welchem Bereich du etwas machen möchtest. Ich glaube, ein ernsthaftes Interesse, Offenheit und Eigeninitiative sind wichtig und schon findet sich etwas, wo du helfen kannst.

Ohne eine politische Lösung an Land werden sich immer wieder Menschen auf diesen gefährlichen Weg begeben.”

Wie steht ihr zu den Vorwürfen, dass Jugend Rettet und andere Organisationen Flüchtlinge dazu ermutigen, mit den Booten über das Meer nach Europa zu kommen?
Das ist ganz ähnlich, wie zu fragen, ob erst das Huhn oder das Ei da war: Erst sind Menschen geflohen und ertrunken, dann kamen die Retter. Ohne eine politische Lösung an Land werden sich immer wieder Menschen auf diesen gefährlichen Weg begeben. Zu diesen Lösungen gehören in Europa zum Beispiel die Erkenntnis vom Nutzen sicherer Fluchtrouten und ein klares Bekenntnis zur Migration. Ganz wichtig ist die Unterstützung beim Aufbau von Strukturen in den Herkunftsländern. Wenn einige fordern, die Retter sollten gehen, fordern sie damit gleichzeitig, Menschen ertrinken zu lassen und hoffen dabei auf die damit verbundene abschreckende Wirkung. Ich möchte in keiner Gesellschaft leben, die solchen Handlungsmaximen folgt.

Glaubst du, dass Organisationen wie Jugend Rettet die Perspektive anderer Menschen auf Flüchtlingspolitik verändern können?
Ja! Das Mittelmeer und die Flucht-Problematik sind für viele weit weg und nicht greifbar. Die Organisationen tragen Sorge dafür, dass dieses Thema diskutiert wird, dass Menschen helfen und dass wir lernen, dass Europas Handlungen immer auch eine Wirkung auf andere Teile dieser Welt haben werden.

Titelbild: Die Iuventa von Jugend Rettet e.V. © Jugend Rettet | Jule Müller 

Von Reinickendorf bis Bochum, von Fulda bis Ottensen – überall schreiben Schülerinnen und Schüler Artikel über das, was um sie herum passiert. Jeder und jede aus ihrer eigenen Sichtweise, mit eigener Meinung und eigenem Schwerpunkt. Bei all den Unterschieden eint sie, dass sie mit ihrer Klasse an MEDIACAMPUS teilnehmen, dem medienpädagogischen Projekt der Funke Mediengruppe. Das erlernte Wissen wenden sie dann praktisch an, indem sie erste journalistische Texte schreiben. Auf funky können sie die Früchte ihrer Arbeit präsentieren.

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