Das duale Studium: Vor- oder Nachteil für junge Leute?

junge Menschen arbeiten zusammen am Tisch
junge Menschen arbeiten zusammen am Tisch (c) pexels.com

Seit dem letzten Jahr gehöre ich selber zu den jungen Auszubildenden, die sich entschieden haben, eine duale Berufsausbildung zu beginnen. Bis jetzt bereue ich diese Entscheidung nicht. Und trotzdem ist mir klar, dass ich danach noch an die Uni will.

Von Antonia Müller, Klasse 17-4, BBA – Akademie der Immobilienwirtschaft, Berlin

Ich mache eine Ausbildung zur Immobilienkauffrau und bin sehr zufrieden mit meiner Wahl. Ich gehöre nun zu einer Branche, die als eine der Zukunftsträchtigen gilt. Aber warum ist es eigentlich nicht mehr so attraktiv, eine Berufsausbildung zu machen?

Was lohnt sich eher?

Auch ich war vorerst skeptisch – Will ich diese doppelte Belastung von Vollzeit-Job und Berufsschule. Oder noch wichtiger: Kann ich das überhaupt? Sehe ich mich mit Anfang 20 schon in der Arbeitswelt? Warum gehe ich nicht an eine Universität so wie es mittlerweile fast alle meiner Freunde getan haben?

Die Vorteile überwogen im Nachhinein. Ich sammle Arbeitserfahrung, verdiene Geld und werde so auch selbstständiger. Ich werde also nach und nach meinen Platz in der Arbeitswelt finden und habe so auch einen Vorteil gegenüber anderen Mitbewerbern. Danach kann ich mich immer noch weiterbilden und auch ein Studium beginnen. Für mich, mit einem eher durchschnittlichen Abitur, ist das ein sinnvoller Weg.

Aber wie findet man sich zurecht als Abiturient, Real- oder Hauptschüler?

Das duale Ausbildungssystem war ursprünglich mal dafür ausgelegt, Jugendlichen eine sinnvolle Alternative zum Studium zu geben und auch die handwerklichen und kaufmännischen Berufe zu stärken. In der Praxis sieht das aber ganz anders aus. Ich habe 17 Bewerbungen verschickt und fast jedes Unternehmen wollte ein Abitur als Voraussetzung sehen.

Widersprüchlich oder?

Wir stecken viel zu sehr in diesem Schubladendenken, dass ein Schulabschluss etwas über deine Kompetenzen aussagt.Fast zwei von drei Ausbildungsstellen haben den Mittleren Schulabschluss als Mindestvoraussetzung, so Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Das ist ein verheerendes Ergebnis – besonders für die Jugendlichen, die einen Hauptschulabschluss haben. Schade, denn vielleicht sind sie genauso qualifiziert wie andere Jugendliche. 283.281 junge Menschen haben laut Hannack im Jahr 2016 keinen Ausbildungsplatz gefunden, da es nur 43.478 offene Ausbildungsplätze gab.

Nur gut 20 Prozent der Berliner Betriebe bilden aus

450.000 von 2,1 Millionen Betrieben in Deutschland bilden aus (21,3 Prozent). Davon sind die meisten mittlere und große Betriebe. Das wirkt auf den ersten Blick sehr wenig für mich. Warum bilden also nicht mehr Betriebe aus? Vermutlich ist hier für viele kleine Unternehmen der Kosten-Nutzen-Faktor entscheidend. Habe ich einen Mitarbeiter, der sich um den Azubi kümmern kann? Kann mein Betrieb alle Kompetenzen vermitteln?

Elke Hannack vom DGB stellte ebenfalls fest, dass es sozialen Sprengstoff berge, wenn so viele junge Menschen keinen Ausbildungsplatz erhalten und die Wirtschaft im Gegenzug über einen Auszubildenden-Mangel spricht.

Ohne finanzielle Unterstützung geht’s nicht

Wenn ich ehrlich bin, dann muss auch ich zugeben, dass eine Ausbildung nicht immer sehr attraktiv zu sein scheint. Nicht nur, dass die Gehaltsspanne innerhalb eines Ausbildungsberufes immer größer wird, auch die Berufe, die am nötigsten gebraucht werden, gehören eher zu den schlechter bezahlten.

Grade in Großstädten wie Berlin ist ein selbstständiges Leben ohne die finanzielle Unterstützung der Eltern mit einem Einkommen von 876 Euro brutto (Durchschnittseinkommen von Auszubildenden bundesweit, laut Bundesinstitut für Berufsbildung) fast unmöglich. Des Weiteren ist die Doppelbelastung von 37 Arbeitsstunden in der Woche und der Berufsschule nicht für jeden geeignet. Hier bedarf es Disziplin und Planungs-Geschick.

Was müssen wir also tun, damit dieser Fachkräftemangel behoben werden kann?

Um die duale Berufsausbildung attraktiver zu machen, bräuchten wir eine fairere Bezahlung vieler Ausbildungsberufe, um auch die Existenz der älteren Auszubildenden zu sichern. Des Weiteren Betriebe, die von einem Schubladendenken abweichen und geeignete Bewerber ungeachtet ihrer Schulabschlüsse anstellen.

Außerdem wären eine größere Akzeptanz der dualen Berufsausbildung in einer Gesellschaft, die den Azubi immer als schlechter gestellt ansieht und mehr Betriebe, die sich an dem Ausbildungssystem beteiligen wünschenswert.

Beitragsbild: pexels.com

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