Leben ohne Eltern: Wie erleben Jugendliche betreutes Wohnen?

Wohnhaus bei Nacht
Wohnhaus bei Nacht (c) pexels.com

Es gibt verschiedene Gründe, aus denen Jugendliche in einer Wohngemeinschaft leben. Oft sind es Familienstreitereien. Ein Erfahrungsbericht.

Von Nele Reschke, Klasse 10c, Private Stadtteilschule St.Georg, Hamburg

Ich lebe mit vielen anderen Jugendlichen in einem großen Haus. Alle haben ihr eigenes Zimmer, aber die Bäder werden geteilt, was sehr nervig werden kann. Jeder Jugendliche hat einmal pro Woche seinen Putzdienst, das Mädchenbad zum Beispiel muss jeden zweiten Tag, von einem von uns Mädchen, gereinigt werden. Freitags muss jeder sein Zimmer sauber machen. In unserem Haus gibt es eine feste Nachtruhe, in der Woche ab 22 Uhr und am Wochenende ab 24 Uhr. Das Taschengeld bei uns bekommt man immer einmal am Anfang und einmal in der Mitte des Monates, womit man aber fast nie auskommt. Internet haben wir in der WG nicht und einen Fernseher gibt es auch nicht, damit wir „mehr raus gehen“, so die Betreuenden der Einrichtung.

Tägliche Pflichten

In einer WG gibt es auch feste Regeln. Wenn sie nicht eingehalten werden, bekommt man eine Abmahnung. Hat man drei Abmahnungen, fliegt man aus der WG raus und muss sich um eine neue WG bemühen. Wenn man eine Abmahnung für seine Strafen bekommen hat, kann man sie aber durch zusätzliche Dienste wieder abarbeiten und ungültig machen. Ich lerne tagtäglich, selbständig zu werden, denn man muss nicht nur jeden Tag seinen Pflichten wie Baddienst, Flurdienst, Wohnzimmerdienst und – am Schlimmsten – Küchendienst erledigen, sondern man lernt zusätzlich auch, sein eigenes Leben zu organisieren.

Jeder kommt mit einer eigenen Geschichte

Ich lebe mit acht Jugendlichen zusammen, Das sind drei Mädchen und fünf Jungen. Viele wohnen nur sehr kurz bei uns, weil sie Mist gebaut haben oder zu alt geworden sind. Manche ziehen auch zurück zu ihren Eltern. Auch einige Flüchtlinge, die zum Beispiel ihre Eltern verloren haben, wohnen oder wohnten bei uns. Deshalb gibt es seit geraumer Zeit auch kein Schweinefleisch mehr im Kühlschrank. Ein Flüchtling, der eine Zeit lang bei uns lebte und mit dem ich länger redete, erzählte mir, wie grausam es war seine Eltern zu verlieren. Eine solche Geschichte wünsche ich niemandem zu erleben. Ansonsten wohnen bei uns aber auch viele Problemkinder, die zum Beispiel rauchen und trinken, was nicht nur gegen unsere Hausregeln verstößt, sondern auch mich persönlich ziemlich stört. Wie gesagt, jeder kommt mit seiner eigenen Geschichte und verarbeitet diese auch ganz unterschiedlich.

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Von Reinickendorf bis Bochum, von Fulda bis Ottensen – überall schreiben Schülerinnen und Schüler Artikel über das, was um sie herum passiert. Jeder und jede aus ihrer eigenen Sichtweise, mit eigener Meinung und eigenem Schwerpunkt. Bei all den Unterschieden eint sie, dass sie mit ihrer Klasse an MEDIACAMPUS teilnehmen, dem medienpädagogischen Projekt der Funke Mediengruppe. Das erlernte Wissen wenden sie dann praktisch an, indem sie erste journalistische Texte schreiben. Auf funky können sie die Früchte ihrer Arbeit präsentieren.

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