Freundschaft Plus etwas anders

einfaches Küchenregal vor vergilbter Wand mit provisorischer Aufhängung für Tassen. Tütensuppen und Küchenutensilien sind dicht an dicht darauf geräumt.
In einer WG kann sich der Ordnungsanspruch unterscheiden.
Veronika Hensing, funky-Jugendreporterin

Ich war ganz aus dem Häuschen, als mein Kindheitsfreund mich vor anderthalb Jahren anrief, um mir zu erzählen, dass er in Kürze auch nach Berlin ziehen würde. Voller Vorfreude fingen wir an, Pläne zu schmieden, wann wir am besten wo eine Wohnung finden könnten, in der wir in Frieden und Glückseligkeit zusammenleben würden. So der Plan.

Nachdem wir in unserem Heimatdorf Nachbarskinder gewesen sind und uns in- und auswendig zu kennen glaubten, war die Vorstellung vom Zusammenleben einfach fabelhaft. Insbesondere nach einigen Jahren höchst unerfreulicher WG-Erfahrungen, mit sich zu Nervenbündeln, höchst peniblen Pedanten oder völlig überdrehten Chaoten entpuppenden Mitbewohnern und Mitbewohnerinnen konnte ich es kaum erwarten, endlich mit einem Freund zusammenzuwohnen, mit dem mir diese Haarraufereien erspart bleiben würden.

So träumte ich vor mich hin, bis zu dem Tag, an dem wir in einem völlig chaotisch gepackten Umzugswagen zu unserer neuen gemeinsamen Wohnung fuhren. Noch konnte ich über die wahllos übereinandergeworfenen Habseligkeiten meines Freundes schmunzeln und dachte mir nicht viel dabei.

Doch das Lachen sollte mir schneller vergehen als mir lieb war. Ich lernte nach und nach Seiten an ihm kennen, die mich total nervten und es entstanden Spannungen, die ich nicht hatte kommen sehen und die mich anfänglich überforderten.

Ich wollte ihn nicht verletzen und unser freundschaftliches Verhältnis belasten, indem ich ihn nur noch kritisierte. Denn da ging es plötzlich nicht mehr nur um ein für mein Verständnis mangelndes Ordnungsbewusstsein, sondern auch um Charaktereigenschaften, die den meinen komplett entgegenstanden. Dinge, die mir wichtig waren, hatte er gar nicht auf dem Schirm und unser Lebensrhythmus und Aktivitätendrang lieferten kaum Schnittpunkte.  Ich konnte einige Angewohnheiten von ihm überhaupt nicht nachvollziehen und es nicht wirklich akzeptieren, dass wir trotz unserer engen Freundschaft so unterschiedlich waren. Vielleicht war ich auch einfach enttäuscht darüber, dass ich mit einigen Aspekten seiner Persönlichkeit doch nicht so gut klarkam, wie ich es mir anfänglich zugetraut hatte. Und nicht zuletzt war ich enttäuscht, dass wir die Situation falsch eingeschätzt hatten und die Traumvorstellung von einem reibungslosen Zusammenwohnen im Alltag eher zur Erprobung unseres Nervenkostüms wurde.

Gute Kommunikation ist da – wie in jeder engen Beziehung – ein wichtiger Faktor, damit das Zusammenleben klappen kann. Denn gerade, wenn die räumliche Distanz fehlt, ist es wichtig, Probleme und Bedürfnisse direkt und konstruktiv ansprechen zu können. Diese Fähigkeit war bei mir definitiv ausbaufähig.

Es stauten sich immer mehr kleine Dinge an, die mich wütend machten und ich war in nullkommanichts die Meckertante, die ständig etwas auszusetzen hatte und fühlte mich unwohl in dieser Rolle, weshalb ich immer wieder Dinge, die mich störten in mich hineineinfraß, anstatt sie anzusprechen. Irgendwann war die Luft zwischen uns dann zum Schneiden dick, was immer wieder dazu führte, dass wir uns voneinander distanzierten.

Natürlich schätzen und respektieren wir uns als Freunde sehr, weshalb wir uns beide sehr angestrengten, über unsere Schatten zu springen. Ich musste lernen, meine Bedürfnisse und Gefühle besser zu kommunizieren und er arbeitete hart an seinen Putz-Skills.

Wir suchten gemeinsam nach Lösungen, erstellten einen Putzplan, konnten uns gegenseitig in der Abgewöhnung schlechter oder ungesunder Gewohnheiten unterstützen und gemeinsam reflektieren. So können wir heute beide schon sehr viel besser kommunizieren, aufeinander achtgeben und Konflikte konstruktiv lösen, ohne uns oder den anderen zu verbiegen.

Besonders schön in einer freundschaftlichen Wohngemeinschaft ist die Geduld, die man füreinander aufbringen kann, und die Mühe, die man füreinander auf sich nimmt und dadurch die Möglichkeit hat, aneinander zu wachsen.

Ich bin froh über die Zeit, in der wir zusammengewohnt haben und uns auf eine ganz besondere Weise noch besser kennenlernen konnten. Für mich ist es eine wertvolle Erfahrung, durch die ich viel über mich und das Beziehungsleben gelernt habe.

Trotzdem haben wir unser weiteres Zusammenleben auf ein weiteres halbes Jahr begrenzt und beschlossen, dann wieder getrennt zu wohnen. Wir mussten feststellen, dass wir für ein Zusammenwohnen zu unterschiedliche Bedürfnisse haben und wir unsere Freundschaft dadurch nicht belasten wollen.  Aber die Geduld und Kompromissbereitschaft, die wir aufgrund unserer Freundschaft füreinander aufbringen konnten, hat uns gestärkt und uns noch näher zusammenrücken lassen.

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.