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Besserwisserwissen: Wie neu sind Impfgegner?

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1802 illustrierte ein Karikaturist die Befürchtung einiger Impfgegner, zu Kühen zu mutieren.

Es gibt wieder eine Portion Wissen zum Mitnehmen und Angeben. Diesmal geht es um die Spritzenverweigerer, die aktuell für viel Unmut sorgen: Wusstest du, dass die Impfgegner in Deutschland auf eine lange Historie zurückblicken?

Oskar Schulz, funky-Jugendreporter

Es gibt Querdenker, die glauben tatsächlich an Mikrochips im Impfstoff, mit Hilfe derer Bill Gates die Menschheit kontrollieren möchte. Es ist unglaublich, welche Ideen und Verschwörungstheorien in den letzten zwei Jahren fragwürdige Internetforen eroberten. Du schämst dich für dein Jahrhundert? Keine Sorge, Impfgegner sind so alt wie das Impfen selbst.

Als im Europa des 18. Jahrhunderts immer noch Millionen von Menschen an den Pocken starben, hatte der englische Arzt Edward Jenner 1796 eine Idee. Man ritze eine kleine Schnittwunde in den Unterarm, nehme das Sekret aus einer Kuhpockenbeule und streiche es in die Wunde. Voilà: Der erste Impfstoff gegen die Pocken war erfunden worden. Das hört sich nicht nur für dich eklig an. Auch Menschen vor zweihundert Jahren hatten Angst, erst durch die Impfung zu erkranken.  Und das mit durchaus mehr Berechtigung als heute: Viele infizierten sich aufgrund der mangelnden Hygienemaßnahmen mit anderen Krankheiten. Und sogar Deutschlands Vorzeigedenker Immanuel Kant befürchtete, dass die Menschen sich mit der Impfung die „tierische Brutalität“ injizieren lassen würden. Trotzdem war die Pockenimpfung am Ende ein Erfolg: Laut WHO sind die Pocken heute ausgerottet.

Im Kaiserreich, wo ab dem Jahr 1874 eine allgemeine Impflicht galt, organisierten sich Impfgegner zunehmend in Vereinen. Bis zu Beginn des ersten Weltkriegs zählten diese Verbände um die 300.000 Mitglieder. Sie hatten sogar eine eigene Monatszeitschrift: „Der Impfgegner“. Dort konnten sie ungestört Quatsch über Impfungen verbreiten – quasi das Telegram des Kaiserreichs. Die Gründe für die Ablehnung der Impfung waren damals so vielfältig wie heute. In Deutschland gab es eine große Bewegung, die die Lösung der modernen Probleme in der Rückkehr zur Natur vermuteten. Naturheilkundler und Esoteriker glaubten an die natürlichen Heilkräfte des Körpers. Andere betrachteten den Impfstoff als Schachzug der „jüdischen Weltverschwörung“, welche es sich, so glaubte man, zum Ziel gemacht habe, die Menschheit zu vergiften.

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten machte vielen Impfgegnern Hoffnung. Namenhafte Nazis wie SS-Chef Heinrich Himmler oder Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß standen selbst mit den Impfungen auf Kriegsfuß. Der „arische“ deutsche Körper sollte nicht mit „verjudeter“ Schulmedizin vergiftet werden. Trotzdem waren die Vorteile der Impfung unbestreitbar: Die Impfgegner-Organisationen wurden 1933 verboten. Im Nachkriegsdeutschland dann vertraute die Bundesrepublik auf Freiwilligkeit, während die DDR auf Zwang setzte.

Neue Popularität erfuhren Impfgegnerthesen, als der britische Arzt Andrew Wakefield 1998 eine Studie vorstellte, die einen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus herstellte. Die Studie wurde später wegen groben wissenschaftlichen Fehlverhaltens zurückgezogen. Die Ärztekammer erteilte ein Berufsverbot an Wakefield. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, seine „Erkenntnisse“ weiter zu verbreiten.

Und in der Pandemie schließlich stehen Impfgegner nun wieder auf der ganz großen Bühne. Und das, obwohl Impfstoffe nie stärker kontrolliert und getestet wurden. Erwiesenermaßen führen Impfungen nur in extrem seltenen Fällen zu Erkrankungen. Unwissen und Fehlinformationen hingegen erschreckend oft.


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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.