Wahl in Thüringen ist, wenn man keine Wahl hat

Ein Supermarkt mit leeren Regalen

Bei der Wahl am Sonntag traten altbekannte Probleme wieder zu Tage: Es mangelt Thüringen an (jungen) Bürgern, die wählen gehen und sich wählen lassen.

Von Rouven Kühbauch

Am Sonntag ist in Thüringer Städten, Gemeinden und Landkreisen gewählt worden. Unter den 1,58 Millionen Wahlberechtigten waren auch rund 30.000 Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren. Die Ergebnisse der Wahl stehen zum Teil bereits fest. In einigen Städten ist jedoch eine Stichwahl erforderlich, da kein Kandidat mehr als die Hälfte der Stimmen gewinnen konnte.

Vielerorts waren die Ergebnisse dagegen ziemlich deutlich: Franka Hitzing von der FDP konnte in Friedrichsthal 99,1 Prozent der Stimmen für sich gewinnen. Stephan Klante von der CDU erhielt 97,4 Prozent der Stimmen in Harztor. Wie diesen beiden ging es einigen, die sich auf ein Bürgermeisteramt beworben hatten: Sie gingen ohne Gegenkandidaten ins Rennen.

Überraschung, du bist Bürgermeister

In solchen Fällen konnten die Wähler auch einer anderen wahlberechtigten Person ihre Stimme geben – was in der Praxis allerdings kaum passiert ist: Die meisten Thüringer wählten die vorgeschlagenen Kandidaten. Nur in Gräfenthal hat es tatsächlich der parteilose Wolfgang Wehr geschaff. Mit 67,3 Prozent der Stimmen wurde er zum Bürgermeister gewählt, obwohl sein Name nicht auf dem Stimmzettel stand.

Auch bei den Wahlen der Landräte war das Bewerberfeld stellenweise leer. In vielen Landkreisen traten gleich mehrere Parteien nicht an. Die SPD konnte etwa in den Landkreisen Eichsfeld, Greiz, Hildburghausen, Ilm-Kreis, Saale-Holzland-Kreis, Schmalkalden-Meiningen, Sömmerda und Sonneberg keinen eigenen Kandidaten aufstellen.

Nachwuchsprobleme

Das hatte viele Gründe, wie der Landesgeschäftsführer der SPD Thüringen, Michael Klostermann, erzählt: „Wir haben ein generelles Problem mit dem Nachwuchs.“ Das gelte für Parteien genauso wie für Vereine und Kirchen, es gebe einfach immer weniger Jugendliche. Dazu komme, so Klostermann, dass die Menschen in Ostdeutschland „eine größere Skepsis hätten, sich langfristig in einer Partei zu engagieren“. Gerade die ehrenamtlichen Bürgermeister hätten einen großen Aufwand und viel Verantwortung, bekämen aber nur eine geringe Aufwandsentschädigung. „Das macht es schwierig, Kandidaten zu finden, die sich das antun wollen“, sagt Klostermann. Lange Zeit sei aber auch die Nachwuchsförderung vernachlässigt worden.

Die SPD bietet zusammen mit der Sozialdemokratischen Gesellschaft für Kommunalpolitiker eine Kommunalakademie an. Dort können Nachwuchspolitiker „das Handwerkszeug der Kommunalpolitik“ lernen. In einem geplanten Mentoring-Programm sollen junge Nachwuchspolitiker an die Hand genommen werden. Die Wirkung aber sei beschränkt, allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung, sagt Klostermann: „Mit der Ausbildung, dem Studium oder dem Beruf ziehen viele weg. Oder sie gründen eine Familie.“ Dann stünde ein Ehrenamt eher an letzter Stelle.

Nur die Hälfte gab Stimme ab

Franz-Josef Schlichting, Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, findet den Mangel an Kandidaten problematisch. „Das ist eine Herausforderung für die Parteien und Jugendorganisationen als Organe der politischen Willensbildung“, sagt er. Man müsse auch mehr auf das passive Wahlrecht aufmerksam machen. Gerade in den Schulen müsse auf das Wahlrecht ab 16 aufmerksam gemacht werden.

Schlichting glaubt auch, dass bei dieser Wahl ein gewisser Vorlauf gefehlt habe. Und weil viele Wahlkreise gar nicht gewählt haben, sei das Interesse womöglich weniger groß gewesen, als wenn es eine flächendeckende Kommunalwahl gegeben hätte. Wie viele Jugendliche tatsächlich ihr Kreuz gemacht haben, ist allerdings noch nicht bekannt. Die Wahlbeteiligung insgesamt lag bei der Bürgermeisterwahl bei 50,1 Prozent, bei den Landräten bei 47,2 Prozent.

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