Gibt es bei Notlügen richtig oder falsch?

Gekreuzte Finger: Notlügen merkt man nicht immer.
Im Alltag benutzen wir häufig kleine Notlügen. Häufig folgt darauf aber das schlechte Gewissen. Ist das immer gerechtfertigt?
Von Antonia Barnitt, funky-Jugendpreporterin

Lügen haben bekanntlich kurze Beine. Trotzdem benutzen wir sie häufig im Alltag. Egal, ob es die kleine Notlüge ist – „Jaja, ich habe die Hausaufgaben gemacht. Die hab ich nur zuhause vergessen“ – oder eine erfundene Geschichte, um uns selbst oder jemand anderem nicht zu schaden. Doch häufig folgt auch auf die kleinste Lüge sofort das schlechte Gewissen. Ist das immer gerechtfertigt?

Es gibt keine Regel und kein Muster, nach welchem man Notlügen legitimieren kann. Der Philosoph Immanuel Kant vertrat die Meinung: Ob eine Lüge nun schwerwiegend ist oder nicht ist und ganz gleich, ob man die passende Begründung parat hat – eine Lüge ist und bleibt eine absichtliche Unwahrheit und kann somit moralisch nicht in Ordnung sein. Auf den ersten Blick leuchtet das ein. Doch sehen wir das in den entsprechenden Situationen genauso?

Stellt euch Folgendes vor: Eure beste Freundin hat gestern Nacht verbotenerweise bei ihrem Freund übernachtet. Sie hat ihrer Mutter erzählt, dass sie bei dir war. Die Mutter ruft später bei dir an, um das zu überprüfen. In diesem Moment würde wahrscheinlich jede gute Freundin bestätigen, dass die Freundin natürlich neben einem geschlafen hat – und somit lügen. Niemand fände das moralisch verwerflich, da man seiner besten Freundin den Rücken freigehalten hat.

Es kommt also ganz darauf an, was für Folgen die Lüge hat. Außerdem empfindet es jede Person anders, wann und ob es okay ist, nicht die Wahrheit zu sagen. Ein etwas komplizierteres Beispiel: Laura hat einen Freund, mit dem sie schon seit ein paar Jahren zusammen ist. Nun hat sie sich in jemand anderen verliebt und möchte Schluss machen. Allerdings hat ihr Freund bald eine wichtige Prüfung und Laura befürchtet, dass er wegen des psychischen Stresses die Prüfung nicht besteht. Also möchte sie warten, bis die Prüfung vorbei ist, und ihm erst dann die Wahrheit erzählen. Ob man ihr Handeln richtig findet oder nicht, muss jeder individuell entscheiden, denn da gibt es kein Richtig und kein Falsch. Vielleicht ist ihr Freund momentan psychisch sehr instabil und eine Trennung, kombiniert mit dem Prüfungsstress, würde ihm den Rest geben. Vielleicht merkt er aber auch, dass Laura sich anders verhält als früher und diese schlechte Vorahnung und die Ungewissheit machen ihm mehr zu schaffen, als die Wahrheit zu erfahren. Ist eine Notlüge also ein notwendiges Abwägen, um den kleinstmöglichen Schaden anzurichten?

Im engeren Freundeskreis, in der Familie oder in einer Beziehung ist die Entscheidung, ob eine Notlüge in Ordnung ist, sehr schwer und es hängt stark vom Gegenüber ab. Es gibt Menschen, die dankbar wären, wenn man mit der Trennung bis nach der Prüfung wartet. Andere wiederum wären verletzt. Besonders Beziehungen basieren stark auf gegenseitigem Vertrauen, und die Basis von Vertrauen ist Ehrlichkeit. Aber auch Empathie und Einfühlungsvermögen für das Gefühlsleben des Partners sind wichtig.

Wie man Empathie und Ehrlichkeit nun gewichtet, kann jeder nur für sich allein entscheiden. Maximen anzusetzen ist im Alltag fast unmöglich. Ideal wäre es natürlich, wenn man den anderen so gut kennt, dass man weiß, wie er diesem komplexen Thema gegenüber eingestellt ist.

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.

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