Ein Schulabschluss für alle: In der Web-Individualschule

Sarah Lichtenberger von der Web-Individualschule
Sarah Lichtenberger von der Web-Individualschule (c) Stefan Schejok
Was machen eigentlich Schüler, die aufgrund von Krankheit oder Ähnlichem nicht auf eine normale Schule gehen können? Ich sprach mit Sarah Lichtenberger, der Gründerin der Web-Individualschule, die Vielen die vielleicht letzte Chance auf einen Schulabschluss ermöglicht.
Von Paula Richter, Klasse 8b, Lessing-Schule Bochum

Aus welchen Gründen wenden Ihre Schüler sich an Sie?

Unsere Schüler sind alle von der Schulpflicht befreit oder sind dauerhaft krank geschrieben. Sie haben also alle einen handfesten Grund, nicht in die Regelschule zu gehen. Die Gründe sind sehr unterschiedlich. Häufig sind die Schüler aber psychisch oder chronisch krank. Bei uns gibt es zum Beispiel auch Autisten oder Mobbingopfer.

Wie werden die Schüler denn bei Ihnen unterrichtet?

Jeder Schüler bekommt einen Lehrer oder eine Lehrerin von mir zugeteilt. Der ist in allen Fächern zuständig, so hat der Schüler nur einen festen Ansprechpartner bei uns. Der Lehrer meldet sich täglich via Skype und bespricht für circa 20 Minuten den Tag – das heißt, welche Themen dran kommen. Dann werden die Materialien gesendet, der Schüler druckt sie aus und bearbeitet sie. Wenn er fertig ist, scannt er die Materialien ein und schickt sie zurück. Am nächsten Tag wird das dann besprochen und es gibt darauf aufbauendes Lernmaterial. So weiß der Lehrer immer ganz genau, wo der Schüler vielleicht noch Probleme hat. Unser großer Vorteil ist, dass wir über das Internet überall unterrichten können: im Krankenhaus, in der Psychiatrie oder zu Hause.

Brauchen die Lehrer bei Ihnen eine ganz normale Lehrerausbildung oder eine besondere, da sie ja alle Fächer unterrichten?

Bei uns unterrichten Sozialpädagogen, Erziehungswissenschaftler, Psychologen und Lehrer. Unser Team ist „multiprofessionell“. Das ist bei den verschiedenen Schülern auch zwingend erforderlich. Sie bekommen alle eine fachliche Fortbildung und auch Supervision. Die Arbeit bei uns ist auch für die Lehrer sehr belastend. Das Problem ist häufig eine sehr traurige Geschichte der Schüler.

Gibt es wie bei uns an den Schulen auch bei Ihnen feste Stundenpläne? Und haben die Schüler bei Ihnen auch Pausen zwischen den Stunden?

Die Stundenpläne und auch die Dauer der Beschulung werden bei jedem Schüler individuell vereinbart. Manche arbeiten blockweise an einem Fach, andere haben mehrere Fächer täglich. Es gibt außerdem Schüler, die so krank sind, dass sie nur 30 Minuten am Tag lernen. Andere wiederum lernen vier bis sechs Stunden täglich.

Wie viele Schüler unterrichten Sie im Moment eigentlich?

Wir haben im Moment 150 Schüler und 15 Lehrer.

Als letztes würde mich noch interessieren, wie überhaupt die Idee kam, eine solche Schule zu gründen. Gibt es in Deutschland noch eine Schule dieser Art?

Wir sind seit 15 Jahren mit unserem Konzept einzigartig. Fernschulen gibt es natürlich ganz viele. Nur die tägliche 1:1 Betreuung gibt es sonst nicht. Mein Vater arbeitet schon seit vielen Jahren in der Jugendhilfe und hat 2002 die Web-Individualschule gegründet, um Kindern und Jugendlichen, die nicht in die Schule gehen können, eine Möglichkeit der schulischen Förderung zu geben.

Leider war es zu Beginn sehr schwierig, bekannt zu werden. So hatten wir zu Beginn nur einige ganz wenige Schüler aus der eigenen Einrichtung. So kam es, dass mein Vater 2005 die Webschule schließen wollte. Dagegen hab ich mich allerdings gewehrt. Ich hatte dann die Idee, Bill und Tom von „Tokio Hotel“ zu fragen, ob sie bei uns ihren Schulabschluss machen möchten. Quasi aus dem Tour-Bus. Als die beiden zugesagt haben, wurde die Presse auf uns aufmerksam und so konnten viele Eltern, die uns brauchten, von uns erfahren.

Beitragsbild: Stefan Schejok

Von Reinickendorf bis Bochum, von Fulda bis Ottensen – überall schreiben Schülerinnen und Schüler Artikel über das, was um sie herum passiert. Jeder und jede aus ihrer eigenen Sichtweise, mit eigener Meinung und eigenem Schwerpunkt. Bei all den Unterschieden eint sie, dass sie mit ihrer Klasse an MEDIACAMPUS teilnehmen, dem medienpädagogischen Projekt der Funke Mediengruppe. Das erlernte Wissen wenden sie dann praktisch an, indem sie erste journalistische Texte schreiben. Auf funky können sie die Früchte ihrer Arbeit präsentieren.

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